Medien-Apéro November: Fischotter
Heimlich und bei uns (noch) selten: der Europäische Fischotter. Im Zoo Zürich schicken sich drei junge Fischotter an, ihre «Wasserwelt» zu erkunden.
Der Europäische Fischotter ist ein Wassermarder und eine von dreizehn Otterarten, die einst in ganz Europa verbreitet war. Seinen Lebensraum bildet die dichte Ufervegetation entlang von Flüssen und Bächen. Des Fischotters bevorzugte Nahrung sind Fische; als Opportunist frisst er aber auch Frösche, Krebse, Muscheln, Vögel, Eier und Insekten.
Mit Schwimmhäuten zwischen Fingern und Zehen, einem stromlinienförmigen Körper sowie der wellenförmigen Fortbewegung ist der Fischotter ausgezeichnet an die Jagd im Wasser angepasst. Sein Fell ist mit 60‘000 Haaren pro Quadratzentimeter eines der dichtesten im ganzen Tierreich. Eine weitere wichtige Anpassung ist die Eigenschaft, höchstens drei Prozent des Körpergewichtes an Fett anzulegen. Dies hat den überlebenswichtigen Vorteil, dass der Fischotter die wendigen Fische erfolgreich jagen kann. Der Nachteil ist, dass er sehr beschränkte Energiereserven hat und täglich ein Fünftel seines Körpergewichts an Beute fangen und fressen muss. Seine aktivste Zeit hat der Fischotter in der Dämmerung. Das Territorium markiert er mit weichem, mit Afterdrüsensekret angereichertem Kot.
Fischotter im Zoo Zürich
Fischotter gehören seit der Eröffnung des Zoo Zürich zum Tierbestand. Doch lange gelang es nicht, die Art auch erfolgreich zu züchten. Als der Fischotter in der Schweiz praktisch ausgerottet war, wechselte der Zoo zur Haltung Asiatischer Kurzkrallenotter. 1983 nahm er den Europäischen Fischotter wieder in den Bestand auf und bald setzte auch die Zucht ein. Seither sind 44 Jungtiere im Zoo zur Welt gekommen.
Mitte der 1990-er Jahre stellte man fest, dass viele in Zoos gehaltene Fischotter möglicherweise Hybride waren, Mischlinge verschiedener Herkunft. Nach den Richtlinien der Internationalen Naturschutzunion IUCN dürfen aber nur Tiere wiederangesiedelt werden, die genetisch den Tieren entsprechen, die vorher dort gelebt haben. In den letzten zehn Jahren hat der Zoo Zürich deshalb eine neue rein europäische Zuchtgruppe aufgebaut, um bereit zu sein, falls Tiere für Wiederansiedlungen gebraucht werden.
Drei wertvolle Jungtiere
Die Tragzeit dauert bei den Fischottern rund neun Wochen. Dann kommen die Jungen in einer gut geschützten, ruhigen und gepolsterten Höhle zur Welt. Nach rund drei Wochen öffnen sie die Augen und im Alter von etwa zwei Monaten beginnen sie, die Umgebung zu erkunden und feste Nahrung aufzunehmen.
Mutter der neuen jungen Fischotter im Zoo Zürich ist Lulu. Nachdem sie bereits 2014 schon einmal drei Junge hatte, hat sie am 17. Oktober 2019 nun erneut drei Jungtiere zur Welt gebracht. Lulu, selber am 8. August 2011 in Rotterdam geboren, verteidigt ihre Jungtiere vehement. Wir haben sie als sehr gute Mutter kennengelernt und sind zuversichtlich, dass sie ihren Nachwuchs erfolgreich aufzieht. Da bei Fischottern das Weibchen ihre Jungtiere natürlicherweise zurückgezogen und alleine aufzieht, versuchen wir, Störungen möglichst zu vermeiden. Lulu zügelt ihren Nachwuchs immer wieder von einer Wurfbox in die andere, wie man das auch aus der Wildnis kennt.
Vater der Jungen ist der zweijährige Tom. Er ist 2017 in Österreich als Wildtier geboren. Tom wurde verletzt aufgefunden, rehabilitiert und kam so schliesslich in den Zoo Zürich. Damit war die Möglichkeit gegeben, Lulu im August 2019 mit ihm zu verpaaren – und der Erfolg hat sich sofort eingestellt.
Die Europäischen Fischotter werden in einem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm EEP gemanagt. Das Geschlecht der drei Jungtiere kennen wir noch nicht. Die drei Jungtiere sind aber sehr wichtig für das Programm, ist es doch das Ziel, Fischotter langfristig bei uns wieder anzusiedeln. Da ihr Vater Tom wildgeboren ist, sind die drei Jungen genetisch äusserst wertvoll.
Mensch rottet Fischotter in der Schweiz aus
Heute ist der Fischotter eines der beliebtesten Tiere im Zoo Zürich. Es ist ein faszinierendes Schauspiel, den verspielten Wassermarder bei der Jagd nach Fischen zu beobachten. Doch nicht immer war das Tier so beliebt: zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde der Fischotter von den Fischern heftig verfolgt. Die erste Fischotteranlage im Zoo Zürich wurde 1930 eröffnet. Sogar hier kam es zu einem Zwischenfall: Besucher, wahrscheinlich wütende Fischer, die den Fischräuber hassten, bewarfen die Tiere mit Steinen. Drei Fischotter wurden dabei getötet.
Der Europäische Fischotter (Lutra lutra L.) war einst in der ganzen Schweiz verbreitet und besiedelte Lebensräume bis 1600 m ü. M. Im Fischereigesetz von 1888 beschloss die Eidgenossenschaft, zur Erhöhung der Fischereierträge den Fischotter auszurotten. Die Jagd auf das Tier wurde staatlich gefördert. Der Bund organisierte Ausbildungskurse für Otterjäger, bezahlte Abschussprämien und finanzierte Jagdhunde und Fanggeräte. Die Bestände nahmen darauf bedrohlich ab.
1952 führten langjährige Bemühungen von Prof. Dr. Heini Hediger, ehemaliger Direktor des Zoo Zürich, und verschiedener Naturschutzorganisationen schliesslich zu einem Jagdverbot. Völlig unerwartet konnte der Rückgang des Fischotters aber trotzdem nicht gestoppt werden. Der letzte Nachweis eines Fischotters in der Schweiz wurde 1989 am Neuenburgersee erbracht. Die Ursache des Aussterbens blieb unklar.
Eine Studiengruppe des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft nahm sich in den 1980-er Jahren der Ursachenforschung an. Sie kam 1990 zum Schluss, dass in der Schweiz zwar noch mehrere geeignete Lebensräume für Fischotter vorhanden wären, aufgrund der PCB-Hypothese beurteilten sie eine Wiederansiedlung des Fischotters jedoch als sinnlos. Die PCB-Hypothese besagt, dass die durch Nahrungsfische aufgenommenen Polychlorierten Biphenyle (PCB) den Fortpflanzungserfolg der Fischotter kritisch verringern. Diese Vermutung galt 1990 als einzige schlüssige Erklärung für den Rückgang und das Aussterben von Fischottern in verschiedenen europäischen Ländern.
Wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Zoo Zürich
Erkenntnisse aus den Jahren 1991 bis 1996 hingegen lassen berechtigt daran zweifeln, dass die PCB-Belastung als ausschlaggebender Einzelfaktor das Überleben des Fischotters verunmöglicht. So lebt in Shetland eine gut untersuchte intakte Fischotter-Population trotz sehr starker PCB-Belastung.
Verhaltensstudien im Zoo Zürich liessen erkennen, dass Fischotter insbesondere während der kalten Jahreszeiten auffallend empfindlich auf ein knappes Nahrungsangebot reagieren, da sie kaum über Energiereserven und Isolationsschichten in Form von Fett verfügen. Der Fischotter ist deshalb darauf angewiesen, dass er ganzjährig ein hohes Nahrungsangebot vorfindet.
Die wissenschaftliche Abteilung des Zoo Zürich formulierte darauf die Nahrungshypothese, die durch Verhaltensstudien an wildlebenden Fischottern in Shetland unterstützt wird. Es ist somit wahrscheinlich, dass das Fischangebot aufgrund von Lebensraumveränderungen (Kraftwerke, Ufergestaltungen) regional unter eine für Fischotter kritische Schwelle fiel und somit zu einem Rückgang oder sogar zum Aussterben des Fischotters führen konnte. Dieser im Zoo Zürich zusammengetragene erweiterte Wissensstand über die Biologie des Fischotters weist darauf hin, dass eine Wiederansiedlung in der Schweiz realistisch ist und erforderte eine Neubeurteilung.
Wieso soll der Fischotter zurückkehren?
Man kann sich natürlich fragen, was es denn überhaupt ausmacht, wenn eine Tierart wie der Fischotter aus unserem Lebensraum verschwindet. Wir vergessen gerne, dass menschliches Leben direkt von der Erhaltung der Biodiversität abhängig ist. Die ungeheure natürliche Vielfalt an Lebewesen ist in Krisenzeiten Garant dafür, dass sich rasch neue, an veränderte Lebensverhältnisse angepasste Arten entwickeln können. Die Komplexität tierischen und pflanzlichen Lebens garantiert Stabilität. Beutegreifer, wie der Fischotter, stehen zuoberst in der Nahrungskette, ihr Verlust ist deshalb für den Lebensraum besonders schwerwiegend. Es ist das Ziel des Naturschutzes, auch in der Schweiz die ursprüngliche Artenvielfalt zu erhalten. Deshalb streben wir an, dass langfristig der Fischotter auch bei uns wieder leben kann.
Zoo Zürich und Stiftung Pro Lutra
In der Folge wurde im Jahr 1997 die gemeinnützige Stiftung Pro Lutra gegründet. Angesichts der überkantonalen, gesamtschweizerischen und internationalen Bedeutung des Anliegens wurde sie der Aufsicht des Bundes unterstellt (Eidgenössisches Departement des Innern). Heute leitet Dr. Hans Schmid, langjähriger Tierbereichsverantwortlicher des Zoo Zürich, die Stiftung.
Als Naturschutzzentrum engagiert sich der Zoo Zürich gemeinsam mit Pro Lutra an vorderster Front für eine natürliche Rückkehr des Fischotters in die Schweiz. Ziel aller Anstrengungen ist es, die Lebensgrundlagen der Fischotter wissenschaftlich zu prüfen, Massnahmen zu ergreifen, die Schweizer Bevölkerung über die Bestandsentwicklung der Art zu informieren und dadurch den Weg für eine konfliktverträgliche Rückkehr des Fischotters zu ebnen.
Studien der Stiftung Pro Lutra führten im Jahr 2000 zur Erkenntnis, dass sich die Fischotterpopulationen in der Steiermark (A) sowie in Savoyen (F) sprungartig ausbreiteten und dass eine natürliche Einwanderung in die Schweiz erwartet werden darf. Schlagzeilen machte 2009 ein Fischotter, der in einer Fischtreppe beim Kraftwerk Reichenau (GR) fotografiert wurde. Seither wurden Fischotter an fünf Schweizer Fliessgewässern bestätigt: an der Aare, am Hinterrhein, am Ticino, an der Rhone und am Inn. An der Aare (2014) sowie am Inn (2018) konnten Jungtiere nachgewiesen werden. Die natürliche Einwanderung sowie die Ausbreitung finden statt.
Auf wissenschaftlicher Ebene beobachtet jetzt die Stiftung Pro Lutra die Einwanderung und die Ausbreitung des Fischotters in der Schweiz. Um die sehr scheuen Wassermarder nachweisen zu können, werden entlang von Gewässersystemen mittels freiwilliger Helfer sowie ausgebildeter Artenspürhunde nach Spuren und Kothäufchen gesucht. Genetische Analysen lassen Individuen erkennen und geben einen vertieften Einblick in die Ausbreitung. Wiederholt lässt sich auch ein Fischotter in der Fotofalle erkennen.
Für die erfolgreiche Rückkehr des Fischotters wesentlich ist auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Deshalb informiert Pro Lutra über die Medien, die eigene Website prolutra.ch und den Newsletter, eine Wanderausstellung sowie an Vorträgen über die aktuelle Entwicklung. 2018 erschien im Hauptverlag das Buch «Der Fischotter – ein heimlicher Jäger kehrt zurück». Darin hat die Geschäftsführerin von Pro Lutra, Dr. Irene Weinberger, das aktuellste Wissen über die Biologie des Fischotters umfassend festgehalten. Das mögliche Konfliktpotential mit wirtschaftlich betroffenen Fischzüchtern wird darin ebenfalls thematisiert und es werden Lösungsvorschläge für einen vertretbaren Umgang mit dem neuen Prädator dargelegt.
Referendum gegen das neue Jagdgesetz
Der Fischotter ist neben Luchs, Wolf und Bär das letzte einst in der Schweiz ausgestorbene Raubtier, dass jetzt wieder einheimisch werden will. Mit dem neuen Jagdgesetz soll in der Schweiz nun aber auch der Schutz des Fischotters aufgeweicht werden. Möge das in der Debatte stehende «Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz einheimischer Säugetiere und Vögel» (JSG) diese Steigerung der Biodiversität nicht hindern. Zooschweiz unterstützt mit den Naturschutzorganisationen Pro Natura, WWF Schweiz, Birdlife Schweiz und der Gruppe Wolf Schweiz das Referendum.
Videos
Videos unter Quellenangabe zur redaktionellen Berichterstattung über die Fischotter des Zoo Zürich freigegeben.
Junge Fischotter
Fischotterin Lulu hat am 17. Oktober 2019 drei Jungtiere zur Welt gebracht.
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Erstes Zusammentreffen von Lulu & Tom
Video vom August 2019: die Fischotter Tom und Lulu treffen zum ersten Mal aufeinander.
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Tom erkundet sein neues Zuhause
Video vom April 2019: Fischotter Tom erkundet sein neues Zuhause im Zoo Zürich.
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Bilder
Bilder unter Quellenangabe zur redaktionellen Berichterstattung über die Fischotter des Zoo Zürich freigegeben.
Nachweise von Fischottern in der Schweiz seit 2009 bis 2019.
Grafik: Pro Lutra und CSCF
Fischotter-Jungtiere.
Copyright: Zoo Zürich, Sandro Schönbächler
Fischotterweibchen Lulu.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischotterweibchen Lulu.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischotterweibchen Lulu.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischotterweibchen Lulu.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischottermännchen Tom.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischottermännchen Tom.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischottermännchen Tom.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Fischottermännchen Tom.
Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini