Ein modernes Urzeitwesen
Krokodile faszinieren mit ihrer Urtümlichkeit. Doch auch sie leiden darunter, dass ihnen in der Wildnis immer weniger Platz zum Leben bleibt. Die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz hat das Krokodil deshalb zum Zootier des Jahres 2021 ernannt.
Der Mensch hat ein zwiespältiges Verhältnis zum Krokodil. Seit sich die Wege der beiden kreuzen, verehrt und fürchtet der Mensch das urtümliche Reptil gleichermassen. In den letzten Jahrhunderten brachte er es schliesslich an den Rand der Ausrottung. Heute stehen Krokodile international unter Schutz und der Handel insbesondere mit Krokodilleder ist reguliert. Dafür leiden die Krokodile nun immer mehr darunter, dass der Mensch ihnen den Lebensraum wegnimmt und/oder diesen zerstört.
Die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. (ZGAP) hat das Krokodil deshalb um Zootier des Jahres 2021 ernannt. Sie will so auf die Bedeutung des Krokodils für das Ökosystem aufmerksam zu machen und das beim Menschen verbreitet schlechte Image der Tiere korrigieren.
Target-Training mit den Breitschnauzenkaimanen. Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Wichtige Rolle im Ökosystem
Krokodile erfüllen in ihren Lebensräumen wichtige Aufgaben. Unter anderem fressen sie Aas und wirken damit als «Gesundheitspolizei», da sie Gewässer und angrenzende Landflächen von Kadavern reinigen. Bei der Jagd zielen sie oft bevorzugt auf schwache, verletzte oder kranke Tiere. Sie regulieren die Bestände räuberischer Welse oder Piranhas, die sich ihrerseits von für den Menschen bedeutenden Speisefischen ernähren.
Verschwinden Krokodile aus diesem Kreislauf, gerät das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen. Durch den Ausfall der grossen Jäger nehmen einerseits die Populationen der Raubfische zu. Und andererseits verschwinden wichtige Organismen wie Bakterien, Algen, Krebstiere, Weichtiere oder Wasserinsekten, die auf die Hinterlassenschaften der Krokodile angewiesen sind.
Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Krokodile gehören zusammen mit den Vögeln zur Gruppe der «Archosaurier», zu der unter anderem ebenso die Dinosaurier gezählt werden. Krokodile sind also nächste Verwandte der Vögel. Innerhalb der Krokodile unterscheidet man die echten Krokodile, die Alligatoren und die Gaviale. Im Zoo Zürich leben Breitschnauzenkaimane. Sie gehören zu den Alligatoren.
Der Breitschnauzenkaiman
Der Zoo Zürich hält aktuell zwei Breitschnauzenkaimane, ein Weibchen und ein Männchen. Beide sind sieben Jahre alt und kommen aus dem Krokodille Zoo in Dänemark. Sie sind im Exotarium zu Hause.
Natürlicher Lebensraum dieser Art sind Süsswassersümpfe, Mangroven, Seen und Flüsse. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich in Südamerika über Brasilien, Bolivien, Paraguay, Uruguay und Argentinien. Wie es der Namen sagt, haben Breitschnauzenkaimane unter allen Krokodilen die verhältnismässig breiteste Schnauze.
Hat eine besonders breite Schnauze: der Breitschnauzenkaiman. Foto: Zoo Zürich, Pascal Marty
Breitschnauzenkaimane können im Einzelfall bis zu 3,5 Meter lang werden, in der Regel messen sie aber etwa um 2 Meter. In ihrer Ernährung sind sie nicht wählerisch, fressen bevorzugt aber Schnecken, Krebse, Fische, Vögel und kleine Säugetiere.
Temperatur bedingt Geschlecht
Wie viele andere Krokodilarten auch bauen die Breitschnauzenkaimane – hauptsächlich die Weibchen – Hügelnester, aus Erde, Pflanzenmaterialien und Steinen. Nach der Paarung legt das Weibchen etwa 18 bis 60 Eier in das Nest. Das verrottende Material wirkt dabei wie ein Komposthaufen und spendet den Eiern Wärme. Die Temperatur im Nest, die je nach Position des Eis variiert, beeinflusst dabei das Geschlecht der Jungtiere. So entwickeln sich bei Temperaturen von ca. 28–30°C weibliche Jungtiere in den Eiern und bei Temperaturen von ca. 31–33°C männliche Jungtiere.
Kurz vor dem Schlupf öffnet die Mutter das Nest und hilft den Jungen beim Schlüpfen. Die kleinen Krokodile sind eine begehrte Beute für Schlangen und Tejus (Echsen). Die Mutter versucht dies zu verhindern, indem sie ihre Jungen vehement verteidigt.
Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Ans Wasser angepasst
Krokodile wirken auf uns Menschen sehr urtümlich. Tatsächlich sind diese Tiere schon ziemlich lange so, wie wir sie heute kennen, und haben in ihrer rund 200 Millionen Jahre langen Geschichte keine allzu grossen Veränderungen durchgemacht.
Krokodile haben sich perfekt an ihre aquatische Umgebung angepasst. Augen und Nase liegen auf einer Linie oben am Kopf, so dass die Tiere fast unsichtbar im Wasser liegen, dabei aber trotzdem die Umgebung beobachten und atmen können. Beim Tauchen können sie die Nasenlöcher und die Gehörgänge mit Hautfalten verschliessen. Mit Ausnahme des Leistenkrokodils – mit einer Körperlänge von über sechs Metern auch gleich der grösste Vertreter dieser Ordnung – leben alle Krokodile im Süsswasser.
Dank der Position ihrer Augen und Nasenlöcher können Krokodile regungslos im Wasser liegen und trotzdem die Umgebung oberhalb des Wassers beobachten und atmen. Foto: Zoo Zürich, Albert Schmidmeister
Ein Leben lang am «Zahnen»
Die lange flache Schnauze der Krokodile ist mit rund sechzig Zähnen bestückt – je nach Art sind es etwas mehr oder weniger. Diese Zähne werden regelmässig erneuert. Bei jüngeren Tieren kann das mehrmals pro Jahr der Fall sein, bei älteren Tieren verlangsamt sich der Wechsel und kann bei sehr alten Tieren schliesslich ganz zum Stillstand kommen.
Die Zähne der Krokodile erneuern sich ein Leben lang. Foto: Zoo Zürich, Albert Schmidmeister
Doch nicht nur die Zähne des Krokodils erneuern sich laufend. Die Tiere wachsen auch das ganze Leben lang. Auch hier nimmt das Wachstum mit zunehmendem Alter ab.
Schützender Panzer
Ein weiteres typisches Merkmal der Krokodile ist ihr Hautpanzer – daher auch der manchmal gebrauchte Name «Panzerechsen». (Mit Echsen sind Krokodile allerdings eigentlich nur entfernt verwandt.) Die Krokodile sind fast am ganzen Körper mit harten, mehrschichtigen Schuppen oder Hornschilden bedeckt, die die oberste Hautschicht bilden. Bei ausgewachsenen Tieren können die Schuppen über zwanzig Schichten zählen. Auf dem Rücken, im Nacken und je nach Art auch an weiteren (sensitiven) Stellen sind die Hornschilde zusätzlich durch knöcherne Platten verstärkt, um dem Krokodil noch mehr Schutz zu bieten.
Krokodile verfügen einen schützenden «Panzer» aus Hornschuppen. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Nachts auf der Lauer
Was ihre Nahrung angeht, sind Krokodile nicht wählerisch. Sie sind Generalisten und fressen mehr oder weniger alles, was sie erbeuten und überwältigen können. Einige wenige Arten haben sich auf Fisch spezialisiert. Diese Arten erkennt man an ihren sehr schmalen Schnauzen und besonders angeordneten Zähnen.
Foto: Zoo Zürich, Manuel Bachmann
Die meisten Krokodilarten jagen in der Nacht. Als Lauerjäger liegen sie unbeweglich und fast untergetaucht im Wasser. Kommt ein Beutetier in Reichweite, schnellen sie vor und packen zu. Dabei können sie sich auch aus dem Wasser heraus blitzschnell an Land katapultieren und dort ihre Beute greifen und ins Wasser ziehen.
Foto: Zoo Zürich, Manuel Bachmann
Beim Zubeissen entwickeln Krokodile eine enorme Beisskraft. So geht die grösste bisher effektiv gemessene Beisskraft in der Tierwelt aktuell auf das Konto eines Leistenkrokodils (16 Kilonewton/cm-2). Zwar gehen Wissenschaftler davon aus, dass etwa der Weisse Hai noch stärker zubeisst. Die entsprechenden Zahlen sind aber nur Berechnungen anhand von Computermodellen und nicht das Resultat tatsächlicher Messungen. Ihrem starken Biss zum Trotz: Kauen können Krokodile nicht. Um ihre Beute zu zerkleinern, drehen sie sich deshalb um ihre eigene Achse, während sie die Beute festhalten.
Hochspannend ist die Entdeckung, dass gewisse Krokodile zur Jagd auch Hilfsmittel einsetzen. So locken gewisse Arten Vögel an, indem sie Stöcke in der Schnauze tragen, die für die Vögel als Nistmaterial interessant sind.
Foto: Zoo Zürich, Dennis Mettler