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  • Junger Kappengibbon im Zoo Zürich.
    Junger Kappengibbon im Zoo Zürich.
    Junger Kappengibbon im Zoo Zürich.
    Junger Kappengibbon im Zoo Zürich.

    Medien-Apéro Januar: Kappengibbon

    Auf dass die Gesänge der «kleinen» Menschenaffen nicht verstummen: Zur Situation der Gibbons im Allgemeinen und zum neuesten Familienzuwachs im Speziellen.

    Gorillas, Schimpansen oder Orang-Utans sind den meisten Leuten ein Begriff, ihre verwandtschaftliche Nähe zu uns ist – wenn auch vielleicht etwas unangenehm – nicht zu übersehen. Systematisch gesehen zählt uns die Wissenschaft mit diesen Menschenaffen zur gleichen Familie Hominidae gehörig. Aber unsere Verwandtschaft ist noch grösser. Weit weniger Beachtung finden die «kleinen» Menschenaffen, die Gibbons. Sie bilden die Schwesterfamilie zu den «grossen» Menschenaffen.

    Artenreiche Familie

    Rund zwanzig Arten, alle in Südostasien beheimatet, umfasst die Gibbon-Familie. Der grösste Vertreter, der Siamang, wiegt etwa 9 bis 12.5 Kilogramm, das Gewicht der anderen Arten bewegt sich etwa zwischen 4.5 und 7.5 Kilogramm. Gibbons haben mit dem Schwinghangeln eine eigene, in den Baumkronen sehr effiziente Fortbewegungsart entwickelt. Die Vorderextremitäten sind länger als die hinteren, die Fingerglieder sind verlängert. Mit einem einzelnen Schwung können Distanzen von bis zu drei Metern überbrückt werden. Am Boden bewegen sich Gibbons aufrecht und halten mit erhobenen Armen die Balance.

    Beim Fell der Gibbons dominieren die Farbtöne schwarz und gräulich sowie braun und gelblich. Bei einigen Arten sind die Geschlechter gleich gefärbt, bei anderen gibt es geschlechtsunabhängig verschiedene Farbmorphen. Und dann gibt es auch Arten, bei welchen die Geschlechter unterschiedlich gefärbt sind – wie beim im Zoo Zürich gezeigten Kappengibbon. Weitere Besonderheiten der Gibbons sind lange Eckzähne und eine musikalische Ader: Mit lauten Gesängen, einzeln oder im Duett vorgetragen und durch einen Kehlsack verstärkt, markieren die Tiere weithin hörbar ihre Territorien.

    Familientiere

    Sozial sind die Gibbons in Familien organisiert, bestehend aus dem Elternpaar und zwei bis drei Jungtieren. Die Jungen werden in Intervallen von etwa zweieinhalb bis drei Jahren geboren. Mit fünf bis sieben Jahren erreichen sie die Geschlechtsreife und müssen den Familienverband verlassen.

    Als Lebensraum nutzen die Gibbons das Blätterdach von Regenwäldern. Hier suchen sie sich ihre Nahrung, die vor allem aus Früchten, jungen Trieben und Blättern sowie vereinzelt Insekten besteht.

    Im Bestand gefährdet

    Alle Gibbon-Arten werden von der Welt-Naturschutzunion IUCN in ihrem Bestand als «gefährdet», «stark gefährdet» oder «vom Aussterben bedroht» eingestuft. Die Gefährdungsursachen sind vielfältig. Mit der Zerstörung und Fragmentierung der Regenwälder verlieren die Gibbons ihren Lebensraum. Sie werden zur Fleischgewinnung gejagt und finden Verwendung in der traditionellen Medizin. Zudem besteht ein Markt für Jungtiere, die als Haustiere gehalten werden, was aber jeweils bedeutet, dass dafür die Mütter getötet werden.

    Zootier des Jahres

    Seit drei Jahren proklamiert die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP), unterstützt vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ), der Deutschen Tierpark-Gesellschaft (DTG) und der Gemeinschaft der Zooförderer (GDZ), ein Zootier des Jahres. Damit soll eine Tierart oder Artengruppe in den Fokus gerückt werden, die unbeachtet im Bestand einer grossen Gefährdung ausgesetzt ist. Für 2019 hat die ZGAP die Gibbons auf das Schild gehoben. Die Kampagne, die auch die Unterstützung von zwei Schutzprojekten zum Ziel hat, wird heute im Zoo Berlin lanciert.

    In verschiedenen Regionen des ursprünglichen Verbreitungsgebietes ist der Gesang der Gibbons bereits verstummt. Diese Stille darf sich nicht ausweiten!

    Zuchtprogramme in Zoos mit Herausforderungen

    In Europa werden für sechs Gibbon-Arten Zuchtprogramme geführt. Die beiden grössten sind jene für Weisshandgibbon und Siamang mit gegen 300 und 150 Individuen. Etwa 50 bis 100 Individuen zählen die Programme für Silbergibbon, Kappengibbon, Südlicher Gelbwangen-Schopfgibbon und Nördlicher Weisswangen-Schopfgibbon.

    Das Programm für den Kappengibbon wird zurzeit von Zürich aus koordiniert. Es umfasst 51 Tiere in 17 Institutionen. Ziel des Programmes ist es, eine genetisch möglichst vielfältige Zoopopulation über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu können. Einige Umstände machen diese Zielerreichung zur Herausforderung: Das Platzangebot für Gibbons ist in den Zoos beschränkt, neue Halter zu finden ist schwierig. Gibbons sind monogam, können nur paarweise gehalten werden, und die Jungtiere müssen mit Erreichen der Geschlechtsreife ihre Familie verlassen. Gibbons sind langlebig, können ein Alter von vierzig und mehr Jahren erreichen. Bei einem kleineren Bestand hat es meist nur wenige Gründertiere, die zur genetischen Variabilität der Population beitragen. Und dann gibt es noch einige Tiere, die von Hand aufgezogen wurden und als Folge davon Defizite im artgemässen Verhalten aufweisen.

    Kappengibbon, seit 1981 im Tierbestand des Zoo Zürich

    Der Zoo Zürich hat mit neun Tieren den grössten Kappengibbon-Bestand ausserhalb Asiens. Dieser gruppiert sich in zwei Paare und eine Familie. Ein «Paar» besteht aus quasi einer der Urmütter des Kappengibbon-Bestandes in Europa, der 45-jährigen Iba, sowie ihrem 7½-jährigen Enkel Laju als Gesellschafter. Das andere Paar – hier hoffen wir zumindest, dass es eines wird – besteht aus dem hier geborenen 8-jährigen Weibchen Lawa und dem 5-jährigen, in Colchester geborenen Männchen Akio. Akio wurde von Hand aufgezogen und zeigt «Auffälligkeiten» im Verhalten gegenüber seiner Partnerin.

    Das Elternpaar der Familie bilden Khmer, 1984 in Zürich geboren, und Willow aus Twycross (GB), Jahrgang 1987 und seit 1992 in Zürich. Zur Familie gehören die Schwestern Nyanyi (2013) und Qiwèn (2016). Und seit Ende November vergangenen Jahres sieht man mit etwas Geduld und Glück bei Willow, eingebettet zwischen den angewinkelten Beinen und der Bauch- und Brustpartie, die für Gibbons typischen langen und feingliedrigen Arme und Beine oder gar das Köpfchen eines weiteren Jungtieres hervorschauen. Es ist dies das nunmehr dreizehnte und – sollte diesmal die Geburtenkontrolle klappen – vorerst letzte Jungtier dieses Paares.

    Die Gene von Khmer und Willow sind bereits überaus gut vertreten in der europäischen Kappengibbon-Population. Schon zweimal bestand der Plan, das Geburtsintervall zu verlängern, doch wie schon 2016 verfehlte auch diesmal die Pille ihre Wirkung. Da müssen wir noch dazulernen. Der am 28. November 2018 geborene jüngste Spross des Paares ist wiederum ein Töchterchen, das den Namen Srey erhielt, was in der Khmer-Sprache «Frau» bedeutet. Srey ist der dreissigste Kappengibbon, der in Zürich geboren wurde.