Skip to main content
  • Zoojournal 2016: Das grosse Fressen

    Im Aquarium tauchen wir nach Jägern und Gejagten. Wir schweben vorbei an giftigen Stacheln, elektrischen Lieblingsfischen und sensiblen Fressungeheuern.

    Der Fächerfisch schiesst durchs Wasser und treibt die Sardinen vor sich her. Mit seinem Schwert schlägt er blitzartig zur Seite, trifft eine Sardine, die benommen aus dem Schwarm und direkt ins offene Maul des Jägers trudelt. Die Szene spielt sich im offenen Meer ab, in einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Kilometern pro Stunde. Die Tiefen der Weltmeere und solche berauschenden Jagdszenen sind der wilden Natur vorenthalten. Im neuen Aquarium liegt der Fokus auf dem Leben im Korallenriff, in den Mangroven und in tropischen Süssgewässern. Das grosse Fressen findet hier im Kleinen statt, ist aber nicht minder dramatisch.

    Scharf beissen, giftig stechen
    Neu sind im Zoo Zürich Haie, Rochen und Muränen zu sehen. An Biss fehlt es in dieser Gesellschaft nicht. Diese Jäger schwimmen im Meer in der Dämmerung und nachts dem Riff entlang, auf der Suche nach kleinen Fischen, Krebsen und Weichtieren. Die Muräne ist sehr standorttreu. Sie bewohnt eine Felsspalte, in die sie nach ihren nächtlichen Streifzügen wieder zurückkehrt. Tagsüber streckt sie nur den Kopf aus ihrem Versteck. Sie öffnet und schliesst ihr Maul und pumpt so Wasser durch die Kiemen. Das sieht zwar zum Fürchten aus, gehört aber nicht zum Jagdverhalten.

    Wenn so viele Jäger in einem Becken vereint sind, können sich unbeabsichtigte Jagdszenen ereignen. Wir achten deshalb darauf, dass die Fische genug gross sind, damit sie nicht plötzlich zu Gejagten werden. Einige «Mitbewohner» wissen sich auch zu wehren. Sie halten sich ihre Fressfeinde mit Gift vom Leib, so beispielsweise der Rotfeuerfisch und der Blaupunktrochen, die Giftstacheln in den Rückenflossen beziehungsweise an der Schwanzspitze tragen.

    Gefürchtete Jäger sind nicht nur im Meer heimisch. In den südamerikanischen Flüssen räumen die schärfsten Zähne Aas und kranke Tiere aus dem Weg: diejenigen der Piranhas. Das Bild der blutrünstigen Bestien, die innert Sekunden eine riesige Beute bis auf den blanken Knochen verspeisen, entspringt aber zu einem grossen Teil dem Reich der Mythen und Legenden. Im Zooalltag zeigt sich, dass die Piranhas sehr sensible Wesen sind, die sich schnell aus der Ruhe bringen lassen. Bei Störungen – beispielsweise durch ungewohnte Geräusche – stellen sie ironischerweise gleich das Fressen ein.

    Energiegeladen und bezaubernd schön
    Die Beliebtheit des Zitteraals, ebenfalls in südamerikanischen Süssgewässern beheimatet, lässt sich fast so leicht messen wie der Strom, den er produziert. Viele Zoobesucher erkundigten sich während des Umbaus nach seinem Verbleib und alle waren erleichtert zu hören, dass er im neuen Aquarium in einem grosszügigen Becken wieder Einzug halten wird. Seine Fütterung ist eine der zusätzlichen Attraktionen, die die Besucher im neuen Aquarium erleben.

    Von besonderer Anziehungskraft und das Juwel des neuen Aquariums ist das riesige Korallenriff. Hunderte von lebenden Korallen bieten den lieblich gezeichneten Fischen, Garnelen und Schnecken eine märchenhafte Bühne. Hier scheint das Leben ohne dramatische Kämpfe und Revieransprüche vonstatten zu gehen. Doch wer genau hinschaut, entdeckt auch zwischen den Korallen die unerbittliche Jagd nach Raum und Futter. Nur mutet es sanfter an als bei den Fächerfischen und den Sardinen, wenn «Nemo» den kleinen Krebs verschlingt. Für den kleinen Krebs ist es das grosse Fressen, keine Frage.

    Der Zitteraal besitzt drei Organe bestehend aus Tausenden umgewandelten Muskelzellen, wovon jede einzelne Spannung erzeugt. Der Zitteraal kann alle diese Minibatterien gleichzeitig aktivieren und somit die Summe dieser Impulse absetzen, bis zu 600 Volt. Damit betäubt oder tötet er seine Beute, nutzt die Spannung aber auch zur Verteidigung.

    Der Pluspol befindet sich am Kopf, der Minuspol am Körperende. Je weiter er mit seinem Kopf aus dem Wasser schnellt und sein Opfer berührt, desto mehr Spannung kann er erzeugen.

    Zoojournal 2016

    Dieser Artikel erschien im Zoojournal 2016. Dies gesamte Ausgabe können Sie sich hier online durchblättern oder herunterladen.