Madagassische Raritäten
Keine andere Wirbeltiergruppe auf Madagaskar ist so bedroht wie jene der Fische. In unserem Aquarium haben wir deshalb neu drei Lebensräume voll und ganz madagassischen Fischarten gewidmet. Welche es sind und wie es um sie steht, berichten wir hier.
In unserem Aquarium hat es einige Veränderungen gegeben. In drei der insgesamt acht Becken leben neu ausschliesslich Fische, die in der Natur nur auf Madagaskar vorkommen: der Mangarahara-Buntbarsch, Marakeli-Buntbarsch, Menarambo-Buntbarsch, Rotschwanz-Ährenfisch und Sambirano-Buntbarsch.
Alle fünf Arten sind gefährdet: Mangarahara und Menarambo sind vom Aussterben bedroht (IUCN-Status CR), Rotschwanz-Ährenfisch und Sambirano stark gefährdet (EN) und Marakeli gefährdet (VU).
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Kaum gefunden, schon verschwunden
Der Mangarahara-Buntbarsch zählt sogar zu den seltensten Fischarten der Welt. Erst 2006 wurde er erstmals wissenschaftlich beschrieben. Kurz darauf galt er in der Natur als ausgestorben.
Sein ursprünglicher Lebensraum besteht aus nur einem einzigen Flusssystem im Norden Madagaskars. Dieses ist durch den Bau mehrerer Staudämme zur Bewässerung von Reisfeldern so gut wie inexistent geworden.
Seine Entdeckung im Amboaboa-Fluss war eine Sensation: der Mangarahara-Buntbarsch galt in der Natur als ausgestorben. Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini
2013 gab es noch vier lebende Mangarahara-Buntbarsche in zwei Zoos weltweit – drei Männchen und ein Weibchen. Als das Weibchen starb, galt die Art als so gut wie verloren. Es erfolgte ein letzter Aufruf unter allen Aquarianer*innen.
Ein Mangarahara-Buntbarsch-Weibchen fand sich dabei zwar nicht; aber es meldete sich ein madagassischer Fischzüchter. Dieser war sich sicher, Exemplare der Art in einem Fluss in der Nähe ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets gesehen zu haben.
Startpopulation: Seit Kurzem schwimmen 14 Mangarahara-Buntbarsche im Aquarium des Zoo Zürich. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Von 0 auf 18 auf 370
Ein Forschungsteam brach daraufhin zu einer Suchexpedition auf. Die Forscher*innen durchkämmten zahlreiche Flüsse und Bäche in der Region – erfolglos. Die Expedition stand kurz vor dem Ende, als das Team einen letzten – und für den Barsch als Lebensraum völlig ungeeigneten – abgetrennten Seitenarm eines Bachs untersuchte. Und darin schwammen 18 Mangarahara-Buntbarsche!
Die 18 Fische wurden eingefangen und auf eine madagassische Fischfarm gebracht. Dort erholten und vermehrten sie sich. Es entstand ein Schutzprojekt vor Ort. Um den Bestand der Art langfristig zu sichern, wurden 2014 zudem erste Nachkommen für die weitere Zucht auf Zoos weltweit verteilt.
Gemischte Gruppe: Der Marakeli-Buntbarsch und der Mangarahara-Buntbarsch teilen sich im Zoo Zürich einen Lebensraum. Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Mit dem Neubau unserer Forschungsstation (Eröffnung im Dezember 2024) können wir uns nun ebenfalls an der Erhaltungszucht des seltenen Fisches beteiligen. Im Aquarium ist dafür eine Startpopulation von 14 Tieren eingezogen.
Aktuell besteht die Reservepopulation des Mangarahara-Buntbarschs in Zoos und Aquarien weltweit aus etwa 370 Tieren. Weil der Lebensraum des Fisches so gut wie nicht mehr existiert, ist eine Wiederansiedelung derzeit nicht aussichtsreich. Mit der Reservepopulation in Zoos und dem Schutzprojekt in Madagaskar besteht aber Hoffnung, dass die Art gerettet werden kann.
Einzigartige Artenvielfalt
Der Sambirano-Buntbarsch hat seinen Namen vom Fluss Sambirano, sein Lebensraum auf Madagaskar. Zusätzlich lebt er in Kraterseen auf der Insel Nosy Be. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Madagaskar ist ein Hotspot der Artenvielfalt. Erdgeschichtlich vor über 150 Millionen Jahren vom Festland getrennt, konnte die Natur auf Madagaskar eigene Wege gehen. Dabei sind Arten entstanden, die es sonst nirgendwo anders auf der Welt gibt.
Das gilt auch für die Fischwelt der afrikanischen Insel. Von 169 beschriebenen Süsswasserarten sind zwei Drittel endemisch, also nur auf Madagaskar zu finden.
Ein einzelner See ist seine ganze Welt: In der Natur gibt es den Menarambo-Buntbarsch nur noch im Lac Tseny im Norden Madagaskars. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Viele der endemischen madagassischen Fischarten leben nur in lokal begrenzten Gebieten auf der Insel – der Menarambo-Buntbarsch zum Beispiel nur im Lac Tseny, der Sambirano-Buntbarsch nur im Fluss Sambirano und in einigen Kraterseen auf der Insel Nosy Be. Diese kleinräumige Verbreitung macht die Fische anfällig: Schon gerinfügige Veränderungen des Lebensraums können für eine Art schwerwiegende Folgen haben.
Auch Fische brauchen Bäume
Ein Beispiel dafür ist der Rotschwanz-Ährenfisch. Er ist auf beschattete Gewässer angewiesen. Auf Madagaskar schreitet die Entwaldung jedoch rasant voran. Beschattete Gewässer werden dadurch zur Mangelware – und der Rotschwanz-Ährenfisch verliert seinen Lebensraum.
Braucht Schatten: Obwohl er im Wasser lebt, ist die Abholzung der Wälder für den Rotschwanz-Ährenfisch ein grosses Problem. Denn er braucht beschattete Gewässer. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Die Abholzung, Überfischung und das Einschleppen invasiver Arten haben deshalb drastische Folgen: Auf Madagaskar sind Fische inzwischen die am meisten bedrohte Wirbeltiergruppe. Etwa ein Fünftel der endemischen Fischwelt Madagaskars steht an der Grenze zur Ausrottung.
Verdrängt: Der Marakeli-Buntbarsch war einst der am weitesten verbreitete einheimische Fisch Madagaskars. Heute ist er gefährdet. Eingeschleppte andere Arten haben ihn aus vielen Gewässern verdrängt. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Bildung, Forschung, Natur- und Artenschutz
Mit der Haltung der fünf gefährdeten madagassischen Fischarten informieren wir unsere Gäste über die Krise der Artenvielfalt und motivieren sie für den Naturschutz. Zudem werden wir in der neuen Forschungsstation die optimalen Haltungs- und Zuchtbedingungen für diese Arten weiter erforschen und damit aktiv zum Artenschutz beitragen. Denn Bildung, Forschung, Natur- und Artenschutz sind unsere zentralen Anliegen als Naturschutzorganisation.