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  • Seehund Pila beim Target-Training im Zoo Zürich.

    Trainieren mit Zootieren

    Zoodirektor Severin Dressen über Giraffen bei der Fusspflege und weshalb nicht nur Hunde lernen, auf Zuruf zu kommen.

    Auf Spaziergängen trifft man sie oft: Menschen mit Hund. Über eine halbe Million Hunde leben in der Schweiz. Viele von ihnen haben das Glück, beim Laufen in der Natur von der Leine gelassen zu werden. Wenn nun einer von ihnen – sei es Dackel oder Dobermann – auf mich zustürmt, geht mir immer die gleiche Frage durch den Kopf: Wie gut ist dieser Hund wohl trainiert?

    In den meisten Fällen lautet die Antwort: sehr gut. So drehen sich «Luna» oder «Rocky» auf Zuruf wieder um und laufen brav zu Herrchen oder Frauchen zurück.

    Einen Hund zu trainieren, ist zwar nicht einfach, aber gut möglich. Ein gut trainierter Hund kommt nicht nur auf Zuruf zurück, er kann auch manierlich im ÖV mitfahren, er weiss, wo er sein Geschäft erledigen darf (und wo nicht) und er macht im besten Fall bei Behandlungen in der Tierarztpraxis gut mit.

    Dieser letzte Punkt ist auch bei uns im Zoo wichtig. Unsere Tiere müssen regelmässig zum Tierarzt: für Impfungen, zur Klauenpflege oder zum Zahncheck, für Blutuntersuchungen oder Ultraschall, zur Medikamentengabe … – die Liste ist lang.

    Müssten wir jedes Mal ein Tier in Vollnarkose legen, nur um seine Zähne zu kontrollieren, wäre das für den Körper des Tieres eine grosse Belastung. Das weiss jede*r, der*die schon mal eine Vollnarkose durchmachen musste. Aus diesem Grund ist das Training mit unseren Tieren sehr wichtig.

    Unsere Tierpfleger*innen üben mit vielen unserer Tiere unterschiedliche Szenarien, um sie regelmässig medizinisch untersuchen zu können. Da wir zu den meisten Tieren nicht in die Anlage gehen, sind wir auf die Kooperation der Tiere angewiesen. Das funktioniert – wenig überraschend – am besten über Futter. Die Tiere lernen, dass eine bestimmte Aufforderung mit einer Belohnung verknüpft ist.

    Wie gut dieses sogenannte medizinische Training funktioniert, zeigt ein aktuelles Beispiel. Unser Giraffen-Weibchen Irma hatte sich einen Stein in ihren Fuss eingetreten. Diesen mussten wir entfernen. Und weil sich die Wunde entzündet hatte, reinigen die Tierpfleger*innen diese nun auch täglich.

    Hätten unsere Tierpfleger*innen nicht schon im Vorfeld mit Irma geübt, wäre diese Behandlung nicht so unkompliziert und stressfrei möglich.

    Neben medizinischen Untersuchungen sind es auch Transporte, die wir trainieren. Die Tiere lernen schon lange vor einem Transport, freiwillig in ihre Transportbox zu gehen. Dies gelingt, weil in der Box leckeres Futter wartet. Kommt der Tag des Transportes, ist es für das Tier bereits ganz normal geworden, in die Box zu gehen, und bedeutet keinen Stress.

    Und dann gibt es noch eine drittes Trainingsziel, das gerade bei unseren grossen Lebensräumen, in denen unterschiedliche Tierarten zusammenleben, eine wichtige Rolle spielt: der Rückruf. Der Rückruf erlaubt es uns, unsere Tiere auch auf grossen Anlagen wie der Lewa Savanne oder im Masoala Regenwald zu «steuern».

    Jede Art, manchmal sogar jedes Individuum, hat ein eigenes akustisches Signal, zum Beispiel von einer Pfeife, einer Rassel oder auch einer Veloklingel. Hören die Tiere «ihren» Ton, wissen sie, dass sie zum*zur Tierpfleger*in kommen sollen. Also eigentlich genau so wie «Rocky» und «Luna».

    Zoodirektor Severin Dressen 2020 im Masoala Regenwald des Zoo Zürich.

    Zoodirektor Severin Dressen.

    Nebenstehender Text erschien erstmals im Rahmen der «Zoologisch»-Kolumne Severin Dressens im «SonntagsBlick-Magazin».