Skip to main content
  • Netzgiraffen Malou und Luna in der Lewa Savanne des Zoo Zürich.

    Giraffen-Tinder

    Zoodirektor Severin Dressen über die Herkunft der Zootiere und wie die tierische Partnervermittlung läuft.

    «‹Und diese Giraffen kommen jetzt direkt aus Afrika?› werde ich häufig auf Führungen in unserer neuen Lewa Savanne gefragt. Die Antwort sorgt oft für Erstaunen: ‹Nein, diese Giraffen sind Europäerinnen – sie kamen per Sondertransport aus den Niederlanden und Polen zu uns.› Tatsächlich sind die meisten der über 130 Tiere in der neuen Lewa Savanne in anderen Zoos geboren. Und so kommen die Bewohnerinnen und Bewohner der Lewa Savanne im Zoo Zürich nicht aus Kenia, Botswana oder Südafrika, sondern aus Frankreich, Spanien, Polen oder Israel.

    Moderne, wissenschaftlich geführte Zoos haben heute ein so grosses Wissen über die uns anvertrauten Tiere, dass wir viele Tierarten erfolgreich nachzüchten können. So müssen Zoos die Tiere nicht mehr der Natur entnehmen. Das wäre häufig auch wenig hilfreich, denn viele Tierarten sind in der Natur stark bedroht. Aufgrund von Umweltzerstörung, Wilderei und Klimawandel wird die Liste der bedrohten Tierarten Jahr für Jahr länger. Daher kommt den modernen Zoos heute auch eine Aufgabe in der Erhaltung von Tierarten zu.

    Eine gesunde Zoopopulation aufzubauen, ist kompliziert. Das kann kein Zoo für sich allein, sondern es braucht viel Zusammenarbeit. Daher gibt es in Europa den Zoodachverband EAZA. Dieser koordiniert für viele Tierarten in Zoos die sogenannten Erhaltungszuchtprogramme.

    Für jede Tierart gibt es einen verantwortlichen Zoo, der wie eine Partnervermittlung für Tiere funktioniert.

    Bei den Giraffen ist dies zum Beispiel der Zoo im deutschen Kronberg. Kronberg kennt alle Giraffen in europäischen Zoos und weiss, welche Tiere gut zueinander passen. Von der Verwandtschaft her – Inzucht will man vermeiden –, aber auch vom Verhalten, der Persönlichkeit und vielen anderen Faktoren. Auf dieser Grundlage entscheidet dann Kronberg, welche Giraffe wo leben soll und wer mit wem Junge zeugen soll.

    Natürlich klappt das nicht immer ganz so wie geplant – auch Giraffen haben Vorlieben für ihre Partner, die wir nicht bis ins Detail verstehen. Aber in den meisten Fällen funktioniert es. Und während Giraffen in Afrika immer stärker unter Druck geraten, gelingt es dank der Zusammenarbeit zwischen Zoos, die Anzahl Giraffen in europäischen Zoos Jahr für Jahr zu steigern.

    Auch der Zoo Zürich wird dazu seinen Teil beitragen. Bald wird Kronberg einen passenden Giraffenbullen für unsere vier Weibchen Irma, Jahi, Luna und Malou auswählen – nicht aus Kenia oder Südafrika, sondern vielleicht aus Grossbritannien oder Tschechien.»

    Zoodirektor Severin Dressen 2020 im Masoala Regenwald des Zoo Zürich.

    Zoodirektor Severin Dressen.

    Nebenstehender Text erschien erstmals im Rahmen der «Zoologisch»-Kolumne Severin Dressens im «SonntagsBlick-Magazin».