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  • Dr. Robert Zingg, Kurator Zoo Zürich.

    Medien-Apéro April: Zoo-Geschichten von Robert Zingg

    Dr. Robert Zingg, das zoologische Gewissen des Zoo Zürich, geht in Pension.

    Am 1. Mai 1994 startete Dr. Robert Zingg seine Tätigkeit am Zoo Zürich als Kurator für Säugetiere und Vögel. Eben hatte er seine Dissertation über den Igel fertiggestellt. Nächtelang hatte er diese einheimischen Tiere, die wir alle zu kennen glauben, durch Gärten und die Landschaft des Säuliamts verfolgt und ihr Verhalten aufgezeichnet. Seine Beobachtungen haben uns von diesem Stacheltier ein ganz neues Bild gegeben. Seine Liebe zur einheimischen Natur, auch zu kleinen und unscheinbaren Vertretern, den Maulwürfen, den Wühlmäusen im Garten, den Amphibien und den vielen Pflanzen in Haus und Garten, aber auch zu den Zwergmäusen im Zoo, machten ihn zum Spezialisten für diese Tiere, über die er in unzähligen Radiosendungen berichtete.

    Die Arbeit im Zoo führte ihn dann zu den grösseren, auch exotischeren Tieren. Seine Neugier für all die Besonderheiten dieser Tiere halfen ihm, ein riesiges Wissen über die Tiere im Zoo aufzubauen. Keiner, der im Zoo anrief und eine zoologische Frage hatte, wurde abgewiesen. Fotos von gefundenen Schlangen, Spinnen und Käfern wurden ihm zugeschickt und bestimmt, Tausenden konnte er eine Antwort geben.

    Es gehört zu den Hauptaufgaben des Zoos, die Bevölkerung für die Tiere zu begeistern. Seine Tiergeschichten, die er zunehmend auch über die Medien in unsere Gesellschaft hinaustrug, sind erfüllt von spannenden Erlebnissen mit seinen Schützlingen.

    Viele Zuchterfolge im Zoo hat er injiziert, die entsprechenden Tiere aus anderen Zoos nach Zürich und zur Zucht gebracht. Die Zooanlagen des letzten Vierteljahrhunderts hat er entscheidend mitgeprägt. In der Geschäftsleitung des Zoos war er das zoologische Gewissen, für ihn stand das Tier immer im Fokus, im Mittelpunkt, alles andere hatte sich einer optimalen Tierhaltung unterzuordnen.

    Wenn Robert Zingg jetzt in Pension geht, verliert der Zoo seinen wichtigsten Zoologen und einen liebenswürdigen Mitarbeiter: Wer ihn kennt, weiss, dass dies nach 26 Jahren Zooarbeit nicht das Ende seines Interesses für den Zoo und seine Tiere, die Tier- und Pflanzenwelt allgemein, darstellt. Wir sind gespannt, was er als nächstes in diesem Umfeld aufgreift. Als Zoodirektor bin ich sehr dankbar, dass ich in dieser Zeit so erfolgreich mit ihm zusammenarbeiten durfte und auch unsere Institution ist ihm zu grossem Dank verpflichtet.

    An seinem letzten Medien-Apéro geht Robert Zingg nochmals einigen wichtigen Stationen seiner Zeit nach, mit prägenden Geschichten.

    Dr. Alex Rübel

    Zoodirektor Alex Rübel über Robert Zingg.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Geschichten aus dem Zoo Zürich

    letztmals vorgetragen von Senior Kurator Dr. Robert Zingg

    Kletterkünstler in der Nebelwaldanlage

    Robert Zingg und die Brillenbären.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Gleich mit Arbeitsbeginn im Zoo Zürich 1994 kam ich mit «meiner» ersten Baustelle in Kontakt: Der Bau der ersten Anlage aus dem Masterplan 2020, der Brillenbärenanlage, hatte eben begonnen. Da habe ich schnell gelernt, Pläne zu lesen, ihre Umsetzung zu überprüfen, und fertige Bauteile mit den «Augen» der künftigen Bewohner zu betrachten.

    In Erinnerung sind der Transport der grossen Kletterbäume per Helikopter und ihre sorgsame Platzierung mit einem grossen Kran sowie die interessanten und lehrreichen Gespräche mit den beiden amerikanischen Künstlern, die die Kunstfelsen gestalteten. Und die Ankunft der ersten Bewohner: Während der Bauzeit hatte der Zoo zwei Brillenbären im Tierpark Schönbrunn in Wien eingestellt, das Weibchen Tolima und ihre 1992 in Zürich geborene Tochter Sisa. Etwas später traf das Männchen Sangay aus Nürnberg ein. Wie sich der Gabelstapler mit der Transportkiste der Bärenanlage näherte, sassen Tolima und Sisa bereits oben im nächstgelegenen Kletterbaum und trillerten aufgeregt in Richtung Neuankömmling. Die Bären hatten offenbar schon auf Distanz miteinander kommuniziert.

    Sisa lebt heute noch, nun schon recht betagt, mit Tochter Cocha und Enkeln auf dieser Anlage. 1999 sorgte sie an einem Sonntagabend für etwas Aufregung. «Dr Bär isch duss» meldete sich nach Zooschliessung ein Mitarbeiter am Telefon. Sisa hatte die nur wenig vorstehende Befestigung eines neu montierten Schiebers zur Reinigung eines Ablaufs genutzt, um aus dem Bassin heraus die Wand hinaufzuklettern und die Anlage zu verlassen. Neugierig wie ein interessierter Besucher links und rechts schauend, begab sie sich in den oberen Zooteil. Ihr Erscheinen bei den Löwen wurde mit einem lauten Brüllen kommentiert. Mit einem Fahrzeug konnte Sisa sachte ins Stallgebäude gedrängt und dort wieder in die Bärenanlage eingeschleust werden.

    Sisa war es auch, die bei der Vergesellschaftung mit den Nasenbären ein erhöhtes Interesse an diesen bekundete. Alle ihre Versuche, einen der Nasenbären zu erwischen, schlugen aber fehl (für die Nasenbären waren vorsorglich verschiedene Fluchtmöglichkeiten eingebaut worden). Mit der Erfolglosigkeit erlosch das Interesse an den Nasenbären. Die Nasenbären ihrerseits wurden mutiger und lernten, in der Gruppe die Brillenbären von bevorzugten Plätzen zu verdrängen.

    Beim Bau dieser Anlage wurde auf ursprünglich geplante Ausstiegshilfen für Tiere, die in einen der Begrenzung dienenden Graben fallen, verzichtet. Als das Männchen Sangay mit dem Graben Bekanntschaft machte, wusste er nicht so recht, was er mit der hineingestellten Leiter anfangen sollte (die Strohballe, die den Fuss der Leiter hätte stützen sollen, verarbeitete er zu einem Nest …). Erst als der Tierpfleger ihn mit einem Stück Brot, das am Ende einer langen Bambusstange an einer Schnur hing, zur Leiter und an ihr hoch lockte, begriff er die Übung und war im Nu wieder oben.

    Auch bei diesen Gräben hat Sisa ihr besonderes Klettertalent bewiesen. Sie fand eine Technik, um kontrolliert und mit einer cleveren Abfolge von «Handgriffen» an der Konstruktion der schwenkbaren Verbindungsbrücken in die Gräben hinunter und wieder hoch zu klettern.

    Die Nebelwaldanlage ist für mich noch heute eine der schönsten Bärenanlagen, die ich kenne. Sie ist abwechslungsreich gestaltet und wunderschön in die Landschaft eingebettet, ein richtiges «Schaufenster» zur Natur.

    Brillenbärin Sisa im Sangay Bergnebelwald im Zoo Zürich.

    Machte einst einen kleinen, nicht vorgesehenen Ausflug ausserhalb ihrer Anlage: Brillenbärin Sisa.
    Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini

    Die kleinste Ente mit dem längsten Namen

    Robert Zingg und die Hottentottenente.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Im Masoala Regenwald leben sechs verschiedene Entenarten. Zwei davon kommen nur auf Madagaskar vor und sind dort hoch bedroht, bei den vier anderen ist Madagaskar Teil ihres Verbreitungsgebietes. Eine dieser Enten hat den Weg auf spezielle Art und Weise in den Zoo gefunden.

    Im Spätsommer 2002 rief mich eine Dame an, die wissen wollte, was für eine Ente sie eben auf dem See beobachtet hatte. Sie schickte ein Bild, auf welchem eine Hottentottenente zu erkennen war, offensichtlich ein «Gehegeflüchtling», da diese Enten eigentlich im Raum Afrika zuhause sind. Die Dame wollte dann weiter wissen, ob diese Ente, die sie ganz offensichtlich ins Herz geschlossen hatte, draussen eine Überlebenschance hätte. Ich antwortete, dass sie dies habe, der Winter aber problematisch werden könnte. Ob ich denn nicht jemanden schicke könnte, um die Ente einzufangen? Das konnte ich nicht anbieten. Ob sie die Ente, sollte es ihr gelingen, sie zu fangen, uns bringen dürfe, war die nächste Frage. Das könne sie, bestätigte ich ihr ohne grosse Erwartungen.

    Am 11. Dezember klingelte das Telefon erneut und die Dame vermeldete nicht ohne Stolz, sie habe die Ente und bringe sie nun in den Zoo. Wie alle Neuankömmlinge wurde die Hottentottenente, ein Weibchen, wie sich herausstellte, vorerst in der Quarantänestation untergebracht. Im Mai des folgenden Jahres wechselte sie – kurz vor dessen Eröffnung – in den Masoala Regenwald. Und im September erhielt sie dann Gesellschaft durch drei weitere Hottentottenenten. Ein Happyend sowohl für die Dame wie für die Ente.

    Hottentottenente im Masoala Regenwald des Zoo Zürich.

    Kleine Ente mit langem Namen: die Hottentottenente.
    Copyright: Zoo Zürich, Corinne Invernizzi

    Kleinster Primat, dessen lateinischer Name madagassisch tönt

    Robert Zingg und die Goodman-Mausmakis.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Der Masoala Regenwald ist auch Lebensraum einer Gruppe von nachtaktiven Mausmakis. Dies sind sehr kleine Lemuren und somit Vertreter der Primaten, der Ordnung, zu der systematisch auch wir Menschen gehören. Die ersten Mausmakis durfte ich zusammen mit zwei Kollegen aus dem Zoo aufgrund einer Vereinbarung mit der madagassischen Regierung selber in Madagaskar fangen. Wir waren dafür rund sechs Wochen in diesem Land unterwegs. Es war ein abenteuerliches Unterfangen mit fantastischen Naturerlebnissen, berührenden menschlichen Begegnungen, nervenaufreibenden Gängen auf Amtsstellen und der Improvisation als Konstanten. 

    Zehn Mausmakis brachten wir im März 2005 nach Zürich, gemäss damaligem Wissensstand Braune Mausmakis, oder lateinisch Microcebus rufus. Nur vier Monate später publizierten Forscher vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen einen Artikel, in dem sie «unsere» Mausmakis einer neu beschriebenen Art zuordneten, die sie Goodman-Mausmaki tauften. Mit der Namensgebung wird der amerikanische Forscher Steven Goodman geehrt, der viel in Madagaskar gearbeitet hat. Der wissenschaftliche Name wurde mit Microcebus lehilahytsara festgelegt. Dabei steht – auf Madagassisch – lehilahy für «man» und tsara für «good», also «guter Mann».

    Zehn Jahre zuvor hatte das Institut für Zoologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover bereits Mausmakis aus derselben Region wie wir importiert und mit diesen Tieren eine Kolonie aufgebaut. Auch diese Tiere wechselten nun ihren Artnamen und halfen – im gegenseitigen Austausch – die Bestände in Zürich und Hannover aufzubauen und genetisch «aufzufrischen». Der Bestand der Goodman-Mausmakis in Zürich hat sich so erfreulich entwickelt. Gut vierzig dieser «Kobolde der Nacht» bevölkern den Masoala Regenwald.

    Goodman-Mausmaki im Masoala Regenwald des Zoo Zürich.

    Trägt einen lateinisch-madagassischen Namen: der Microcebus lehilahytsara (Goodman-Mausmaki).
    Foto: Zoo Zürich, Sam Kneubühler

    Wenn «ein Paar» nur ein Zahlwort ist

    Robert Zingg und die Arabischen Oryx.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Ursprünglich war die Arabische Oryx, erkennbar an ihren langen, säbelartigen Hörnern und einer schwarz-weissen Gesichtsmaske, in den Wüsten der Arabischen Halbinsel bis Sinai und Mesopotamien verbreitet. Schon im 19. Jahrhundert begann der Rückgang ihrer Bestände, und 1972 galt sie als im Freiland ausgerottet. Bereits 1962 starteten die ersten internationalen Bemühungen zur Erhaltung dieser Art. In einer Fangexpedition gelang es noch, drei Tiere zu fangen. Mit weiteren acht Tieren aus Zoos und privaten Sammlungen bildeten sie den Grundstock der «Weltherde», die zunächst in Phoenix (USA) aufgebaut wurde.

    Aus dieser Weltherde kamen 1979 erste Tiere nach Europa, u.a. nach Zürich, wo sechs Tiere den Grundstock einer äusserst erfolgreichen Zucht bildeten. In Europa geborene Tiere – auch aus Zürich – kehrten in der Folge für verschiedene Wiederansiedlungsprojekte in das ursprüngliche Verbreitungsgebiet zurück.

    Um für das Zuchtprogramm neue Blutlinien in den europäischen Bestand der Arabischen Oryx zu bringen, importierte der Zoo Zürich 1994 ein Männchen aus dem Zoo Rabat in Marokko. Das gleiche Ziel hatten Kontakte nach Abu Dhabi, wo sich in der privaten Kollektion des nunmehr verstorbenen H. H. Sheik Zayed Bin Sultan Al Nahyan, früherer Emir sowie Gründer und langjähriger Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, grössere Oryx-Bestände befanden. Mit Unterstützung des damaligen Schweizer Botschafters in den VAE, Herrn Kurt W. Welte, konnten wir den Austausch je eines Paares Arabischer Oryx vereinbaren.

    Am 10. März 1999 war es dann soweit, ein Paar Arabische Oryx kam aus Abu Dhabi nach Zürich. Angereist kamen auch zwei Mitarbeiter des Emirs, ein Tierarzt und der Direktor der Fachstelle Umwelt- & Wildtier-Management. Aus Anlass der Ankunft der Tiere und in Würdigung dieses Austausches wurde ein ausserordentlicher Medien-Apéro organisiert. Auf dem Weg zu diesem Medien-Apéro unterhielt ich mich mit dem traditionell arabisch gekleideten Direktor. Beiläufig fragte ich ihn (gewitzt durch Erfahrungen bei anderen Transporten), ob das Oryx-Weibchen allenfalls trächtig sein könnte. Er warf mir darauf einen Blick zu, der mir augenblicklich klar machte, dass ich die falsche Frage gestellt hatte. Wir wechselten auch sogleich das Thema.

    Das eingetroffene Oryx-Paar bestand aus zwei Männchen. Drückten Männchen eine höhere Wertschätzung aus oder konnte mit einem zweiten Männchen das Konfliktpotential am Herkunftsort reduziert werden? Wie auch immer. Zwei Monate später schickten wir unsererseits zwei in Zürich geborene Arabische Oryx, ein «echtes» Paar, nach Abu Dhabi.

    Die beiden neu eingetroffenen Männchen erhielten die Namen Abu und Zabi. Abu blieb in Zürich, Zabi reiste ein gutes Jahr später weiter nach Belgien. Beide Männchen haben zahlreiche Nachkommen hinterlassen, bis hin zu Urururenkeln. Und von beiden Männchen leben aktuell je eine Urenkelin und deren je zwei Jungtiere im Zoo Zürich – der jüngste Ururenkel kam am 10. Januar dieses Jahres zur Welt. So trägt dieser «Paar-Tausch» bis heute auch in Zürich Früchte.

    Arabische Oryx im Zoo Zürich.

    Ein paar Arabische Oryx, aber kein Paar.
    Coypright: Zoo Zürich, Enzo Franchini

    Gewichtige Umstellungen

    Robert Zingg und die Elefanten.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Elefanten finde ich nur schon durch ihre Grösse äusserst faszinierende Erscheinungen. Betrachtet man erst ihren Rüssel, dieses multifunktionale, kräftige und doch fein steuerbare Organ, so wird dieser Eindruck nochmals verstärkt! Mit zu meiner Faszination tragen aber auch die verschiedenen Charaktere bei, die bei diesen Tieren zu beobachten sind.

    Die Planung und Realisierung einer neuen Elefantenanlage bot die Riesenchance, die Haltung dieser charismatischen Tiere auf eine neue Basis zu stellen. Nebst der Schaffung geeigneter baulicher Voraussetzungen ging es dabei aber auch um den Wechsel im Management vom direkten zum geschützten Kontakt, die Einführung neuer Trainingstechniken und die Entwicklung eines neuen Fütterungsregimes.

    Noch vor Fertigstellung der neuen Anlage galt es, eine besondere Herausforderung zu meistern: den Umzug der Elefanten in die Mitte einer Baustelle. Dies drängte sich auf, da die Elefantenkuh Indi im fortgeschrittenen Stadium trächtig war und die Geburt in etwa im Zeitfenster des geplanten Eröffnungstermins erwartet werden durfte.
    Der Transport der Elefanten erfolgte nach sorgfältiger Vorbereitung – Bulle Maxi etwa musste aus Sicherheitsgründen daran gewöhnt werden, nach über 30 Jahren wieder Fussketten zu tragen – im März 2014. Zwei Momente überraschten dabei mit Blick auf Indi und Maxi.

    Indi hat eine Vorgeschichte als gut trainierter Zirkuselefant mit einiger Erfahrung bezüglich Reisen und Aufenthalten an wechselnden Orten. Sie ist auch, was die Bearbeitung ihrer Umwelt mit «Werkzeugen» anbelangt, sehr innovativ (und eine gute Lehrmeisterin ihrer Tochter Chandra). Indi bestieg zusammen mit Chandra als erste die Transportkiste für den Umzug. Während Chandra die Kiste am neuen Ort recht zügig verliess und damit begann, die neue Umgebung zu erkunden, blieb Indi trotz gutem Zureden der vertrauten Pfleger über Stunden in der Kiste. Als sie dann doch noch das «Neuland» betrat, folgten auch die weiteren Schritte in die verschiedenen Boxen der Hintergrundanlage – erst diese waren bezugsbereit – recht zögerlich.

    Anders gestaltete sich der Auftritt von Maxi. Maxi konnte bei Veränderungen in seinem vertrauten Gehege sehr zögerlich bis schon fast ängstlich reagieren. Als sich bei ihm das Tor zur neuen Anlage öffnete, hob er kurz seinen Rüssel, prüfte quasi, ob die Luft rein sei, und marschierte los, nicht ohne im Vorbeigehen die am Boden ausgelegten Brote aufzusammeln. Das wiederholte sich beim Übergang in die nächste Boxe. Die grosse Sandbox erkundete er zielgerichtet und testete sogleich verschiedene Fütterungseinrichtungen. Keine Spur von zögerlichem oder ängstlichem Verhalten.

    Einen Monat später erhielt Maxi als erster Elefant Zutritt zur Innenanlage. Auch hier: kurz Luft holen, dann durchschritt er die Anlage in ihrer ganzen Länge und Breite. Den imposanten Maxi in dieser Szenerie zu sehen – wo er ob deren Grösse schon fast wieder klein wirkte – war für mich ein wunderbarer Anblick, Gänsehaut pur. Einen ähnlich majestätischen Auftritt hatte Maxi dann auch noch auf der Aussenanlage, wo er schnell noch die Festigkeit des einen oder anderen Totholzstammes testete und Äste, die etwas Schwäche andeuteten, auch gleich abbrach.

    Eine Woche nach der offiziellen Eröffnung des Kaeng Krachan Elefantenparks kündete sich bei Indi die erwartete Geburt an. In den Abendstunden des 17. Juni 2014 brachte sie, zur Krönung des Umzuges, im Kreis ihrer «Familie» ihre Tochter Omysha zur Welt. Dass ich dies als Zaungast miterleben durfte – ein Geschenk. Nun erwartet Omysha ihrerseits in ein paar Monaten ihren ersten Nachwuchs.

    Asiatischer Elefant Maxi im Kaeng Krachan Elefantenpark des Zoo Zürich.

    Zeigte sich beim Umzug in den Kaeng Krachan Elefantenpark von einer ganz neuen Seite: Maxi.
    Copyright: Zoo Zürich, Jean-Luc Grossmann

    Auch ein grauer Rücken kann entzücken

    Robert Zingg und die Gorillas.
    Video: Zoo Zürich, Dominik Ryser

    Der Grössenunterschied zwischen weiblichen und männlichen Gorillas ist beachtlich, erreichen doch die Männchen mit 200 bis 250 Kilogramm ein bis zu dreifach höheres Gewicht als Weibchen. Dies deutet darauf hin, dass die Geschlechter unterschiedliche «Jobs» haben. Im Zentrum einer Gorilla-Gruppe steht ein erwachsenes Männchen, ein Silberrücken. Sein Job ist es, die Gruppe zusammenzuhalten, andere Männchen abzuwehren, bei Konflikten unter Gruppenmitgliedern einzugreifen. Er braucht Sozialkompetenz, aber Kinderbetreuung ist nicht seine Sache. Er fordert von seiner Gruppe Respekt ein. Sein Blick ist – zumindest für uns – immer finster. Gorilla-Männchen begehen zuweilen, wenn sie neu eine Gruppe übernehmen, Infantizid, um ihren Fortpflanzungserfolg zu optimieren. Dieses «Jobprofil» lässt aber andere Seiten der Männchen ausser Acht, die durchaus auch auf einen «weichen Kern» schliessen lassen, zumindest bei unserem Silberrücken N’Gola. Drei Beispiele aus meiner Erinnerung, die den Umgang mit Jungtieren illustrieren, sollen das belegen.

    2002 verstarb das Gorillaweibchen Sandra überraschend an den Folgen eines Befalls mit dem Fuchsbandwurm. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Sohn Azizi gerade mal zwei Jahre alt. Wir entschieden uns, Azizi trotz der für ihn schwierigen Situation in der vertrauten Umgebung der Gruppe zu belassen. Er fand schon bald ein «Agreement» mit N’Gola, der es zuliess, dass sich Azizi in seiner Nähe aufhalten konnte und so einen Schutz- und Ruheraum erhielt. So unterstützt wuchs er in der Gruppe auf.

    Die folgende Begebenheit kann ich zeitlich nicht mehr einordnen. N’Gola lag bäuchlings auf dem Boden. Ganz in der Nähe sass ein Gorilla-Weibchen mit ihrem Jungtier, das eben begonnen hatte, herumzukrabbeln. Da kroch das Jungtier direkt auf N’Gola zu. Als es in seiner Reichweite angelangt war, hob er es sachte auf und legte es in seine grosse Hand. Er lag nun bäuchlings da, in der auf dem Ellbogen abgestützten Hand das Jungtier, und schaute diesem aus kurzer Distanz in die Augen. Dann legte er den kleinen Gorilla ruhig wieder auf den Boden ab, und dieser krabbelte zurück zu seiner Mutter.

    Gegen Ende 2013 erholte sich N’Gola zusehends von gesundheitlichen Problemen. Bis anhin hatte er sich nur marginal um Jungtiere gekümmert und sich nur vereinzelt in das Spiel der Halbwüchsigen einbeziehen lassen. Doch nun beschäftigte er sich über eine gewisse Zeit intensiver mit seiner jüngsten, 2012 geborenen Tochter Mahiri, und dies in einer für Männchen sehr ungewöhnlichen Art. Er trug sie in Weibchenmanier auf seinem Rücken herum, sie durfte sich an seinem Futter bedienen und auf ihm herum klettern. Sie ruhte sich sogar auf seinem Körper aus. In dieser Phase genoss auch Mahiris Mutter, N’Yokumi, die besondere Aufmerksamkeit von N’Gola. Wurde die Gorillagruppe in den Hintergrundbereich gerufen und folgten N’Yokumi und Mahiri dieser Aufforderung nicht, ging N’Gola wieder in die Innenanlage und holte die beiden.

    Vielleicht würde N’Gola ob solcher Begebenheiten in einem Assessment auch beschieden – wie einst mir – er habe zu wenig männliche Härte … (ein Manko, mit dem ich gut zurechtgekommen bin).

    N’Gola mute ich auch einen gewissen Schalk zu. Bei früheren Besuchen hinter den Kulissen erhielt ich meist ein paar Nüsse, um mich als unregelmässiger Gast mit N’Gola gut zu stellen, so quasi ein Obolus für sein Wohlwollen. Nuss für Nuss nahm er jeweils sorgfältig mit seinen Lippen in Empfang. Reichte ich ihm die letzte Nuss, so machte er mit dem ganzen Körper eine schnelle, ruckartige Bewegung in meine Richtung. Ich erschrak jedes Mal, obgleich ich sein Spielchen kannte. Ich bilde mir ein, dass meine Reaktion ihm Spass bereitete.

    Westlicher Flachlandgorilla N'Gola im Zoo Zürich.

    Harte Schale, weicher Kern: Silberrücken N'Gola ist mehr als nur ein Macho.
    Copyright: Zoo Zürich, Enzo Franchini