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  • Spitzmaulnashorn "Lucky" nach Behandlung in Lewa.

    Spezialeinsatz für den Artenschutz

    Dies ist die Geschichte von «Lucky» – einem Spitzmaulnashorn, das sich im Kampf üble Verletzungen zuzog und danach von gleich zwei Tierarzt-Teams behandelt wurde. Und das alles, damit «Lucky» und vor allem seine Art langfristig überlebt. Aber von vorne.

    Im hohen Gras steht Spitzmaulnashorn «Lucky» noch etwas wacklig auf den Beinen. Der nicht mehr ganz junge Bulle ist erst kurz zuvor aus der Narkose erwacht. In einem Revierkampf mit einem jüngeren Konkurrenten hatte er sich üble Verletzungen zugezogen. Sein ganzer Körper war übersäht mit Schrammen und Wunden, den Unterkiefer hatte es besonders schlimm erwischt. Doch statt Wunden zieren nun grünlich-braun-beige Flecken seinen Körper. «Lucky» wurde in Narkose versetzt und von gleich zwei tierärztlichen Teams medizinisch versorgt. Auch wenn «Lucky» wieder steht, heisst es nun Daumen drücken und hoffen, dass er sich gut erholt. 

    Das Besondere an dieser Szene ist: Sie spielt nicht in einem Zoo, wo man eine tierärztliche Versorgung erwarten würde, sondern in der Savanne Kenias. Also mitten in der Wildnis. Zumindest vermeintlich mitten in der Wildnis. Denn das mit der Wildnis ist so eine Sache. Die romantische Vorstellung von echter, unberührter Natur wie sie durch unsere Köpfe geistert, gibt es so gut wie nicht mehr.

    Tierärzteteam bereitet Einsatz vor.
    Helikopter im Schutzgebiet Lewa
    Nashorn «Lucky» ist getroffen.
    Das Team verarztet «Lucky».
    Die Wunde am Unterkiefer wird versorgt.
    Ranger-Einsatzteam in Lewa.
    «Lucky» hat den Eingriff gut überstanden.

    eingezäunte wildnis

    «Luckys» Zuhause ist das Schutzgebiet Lewa Wildlife Conservancy, welches seit 1998 Naturschutzpartner des Zoo Zürich ist. Und auch wenn die unendlichen Weiten und die Vielzahl an Tieren etwas anderes vermuten lassen, so sind auch solche Schutzgebiete und Nationalparks gemanagte, eingezäunte Areale. Ein letzter Zufluchtsort der Natur.

    Zebras und ?? im Schutzgebiet Lewa.

    Auch Schutzgebiete haben einen Zaun. Foto: Zoo Zürich, Martin Bauert

    Zwar gibt es innerhalb des Areals so gut wie keine Zäune, aber vollkommen wild und frei von menschlichen Eingriffen ist die Natur auch dort nicht mehr. Das mag die ein oder andere Traumblase zum Platzen bringen, schlussendlich rückt damit aber ins Bewusstsein, wie schlecht es um unsere Natur tatsächlich steht. Und wie dringend sie unseres Schutzes bedarf. Indem «Lucky» tierärztlich versorgt wird, geschieht genau das. Dieser Eingriff ist ein konkretes Beispiel für Natur- und Artenschutz vor Ort in der «Wildnis». 

    Spitzmaulnashorn in Lewa

    Ende der 1980er Jahre gab es nur noch wenige hundert Spitzmaulnashörner. Foto: Zoo Zürich, Martin Bauert

    Spitzmaulnashörner sind vom Aussterben bedroht. Zogen in den 1970er Jahren noch rund 20'000 Tiere durch Kenia, waren es Ende der 1980er Jahre nur noch knapp 350. Nur dank aufwendiger Schutzmassnahmen – und dazu gehört es auch, verletzte Spitzmaulnashörner tierärztlich zu versorgen – konnte sich der Bestand auf inzwischen wieder gut 1000 Tiere erholen. Ziel der kenianischen Regierung ist es, diese Zahl langfristig auf 2000 zu steigern.

    Bewachung rund um die Uhr 

    Dafür hat sie den «Recovery & Action Plan for the Black Rhino in Kenya 2022–2026» in Leben gerufen. Also einen Aktionsplan für Spitzmaulnashörner, der ihren Bestand sichern soll. Und so werden Spitzmaulnashörner im Schutzgebiet Lewa nicht nur auf Anordnung der Nationalpark- und Wildtierbehörde Kenias KWS verarztet, sondern auch rund um die Uhr von Rangern bewacht. Dies zum Schutz vor Wilderern. 

    Ranger in Lewa
    Zwei Ranger in Lewa entdecken den verletzten Spitzmaulnashornbullen "Lucky".
    Das verletzte Spitzmaulnashorn "Lucky" ist entdeckt.

    Durch die permanente Überwachung war das verletzte Tier den Rangern schnell aufgefallen und die Behörden wurden informiert. Direkt am Folgetag wurde ein Interventions-Team zusammengestellt, um «Lucky» zu behandeln. Damit nichts schief geht, müssen bei der Narkose der wertvollen Tiere immer zwei tierärztliche Teams dabei sein. Per Helikopter wurde der Narkosepfeil abgeschossen. Solch ein aufwendiger Einsatz für den Artenschutz kostet und genau da kommt der Zoo Zürich ins Spiel. Mit mehr als 4,5 Millionen Franken an Spendengeldern haben wir Lewa bereits unterstützt und werden das auch künftig tun.

    Nötig sind schutzgebiete und zoos

    Auch wenn es langsam bergauf geht mit der Population der Spitzmaulnashörner in Kenia, bis der Bestand langfristig gesichert ist, muss die Gesamtpopulation stark anwachsen. Nicht nur in Kenia. Erst dann kann ihr Bedrohungsstatus auf der Roten Liste von «vom Aussterben bedroht» zu «nicht gefährdet» geändert werden. Bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg. Ein Weg, der angesichts des rapiden Artenverlusts weltweit immer mehr Arten bevorsteht. Gerade deshalb ist es wichtig, Artenschutz nicht nur vor Ort zu betreiben, sondern Arten auch durch Reservepopulationen in Zoos zu sichern. 

    Ziel all dieser Arbeit ist es, nicht nur das Überleben von «Lucky» als einzelnes Spitzmaulnashorn sicherzustellen, sondern das seiner ganzen Art. Und irgendwann einmal ist Wildnis dann auch wieder echte Wildnis.

    «Lucky» nach Tierarzt-Einsatz.

    «Lucky» hat den Eingriff überstanden. Foto: Zoo Zürich, Martin Bauert.