Social Distancing? Beim Nacktmull unmöglich!
Der Nacktmull fasziniert nicht unbedingt durch schönes Aussehen. Dafür beeindruckt er mit einem für Säugetiere einzigartigem Sozialsystem und einigen überraschenden Eigenschaften.
Der Nacktmull ist wahrlich nicht gerade ein schönes Tier. Mit seiner nackten, faltigen Haut und seinen winzigen fast blinden Knopfaugen kann er sich vom Aussehen her nicht mit anderen Tieren im Zoo Zürich messen. Aus biologischer Sicht stellt er aber die meisten anderen Tiere in den Schatten. Seine Einzigartigkeit zeigt sich sowohl in seiner sozialen Organisation als auch in seinen Anpassungen an die Lebensweise unter der Erde.
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Staatenbildendes Säugetier
Der Nacktmull lebt in einem hochkomplexen Sozialsystem, das sich grundsätzlich von anderen Säugetieren unterscheidet. Stattdessen ist es vergleichbar mit den Systemen sozialer Insekten wie Bienen oder Ameisen. Der Nacktmull lebt in Kolonien, in denen eine strikte Arbeitsteilung herrscht. Dazu hat jede Kolonie eine Königin, die als einzige Nachkommen produziert.

Foto: Zoo Zürich, Albert Schmidmeister
Innerhalb der Kolonie übernehmen jüngere, kleinere Tiere die Funktion der Arbeiter, die auf die Jungtiere aufpassen und das Höhlensystem unterhalten. Ältere, grössere Tiere werden zu Soldaten, die die Kolonie vor Eindringlingen beschützen, neue Höhlen bauen und Futter suchen.
Ein Tier der Extreme
Der Nacktmull lebt in einem Höhlensystem unter der Erde, wo er sich von Wurzeln und Knollen ernährt. An die Oberfläche kommt er selten, da er schlecht sieht und für Raubtiere eine einfache Beute darstellt.
Die Lebensweise unter der Erde hat beim Nacktmull zu verschiedenen Anpassungen geführt. So befinden sich auf dem sonst nackten Körper Tasthaare, die für die Orientierung in den unterirdischen Tunneln wichtig sind.

Foto: Zoo Zürich, Marco Schaffner
Die nackte Haut verfügt weder über Schweissdrüsen noch eine Fettschicht, was es den Tieren schwer macht, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Daher passt sich der Nacktmull zwischen 12 und 37 Grad einfach seiner Umgebungstemperatur an. Dadurch spart er viel Energie.
Gemessen an seiner Grösse von nur gerade 8–10 Zentimetern hat der Nacktmull einen sehr langsamen Stoffwechsel. Dies erklärt möglicherweise auch die Langlebigkeit dieser Art. Der Nacktmull kann über 25 Jahre alt werden, während eine vergleichbar grosse Maus nur wenige Jahre alt wird.

Foto: Zoo Zürich, Marco Schaffner
Das Leben in schlecht belüfteten Höhlen hat noch zu einer anderen faszinierenden Anpassung geführt. Im Gangsystem unter der Erde kommt es zum Teil zu sehr hohen Kohlendioxidwerten. Für den Menschen wären diese Werte tödlich. Für den Nacktmull scheinen sie jedoch kein Problem zu sein.
Inzucht ist normal
Da sich der Nacktmull an der Oberfläche nicht über weite Strecken bewegt, gibt es selten genetischen Austausch zwischen den Kolonien. Dadurch ist Inzucht häufig. Interessanterweise scheint dies aber kein Problem für den Nacktmull darzustellen. Auch nach Generationen der Inzucht scheinen sich keine negativen Konsequenzen zu zeigen.
Einen gewissen genetischen Austausch zwischen den Kolonien kann es geben, wenn einzelne Tier abwandern und sich in einer neuen Kolonie niederlassen, oder wenn zwei Kolonien aufeinandertreffen. Dann kann es vorkommen, dass die in einem Konflikt siegreiche Kolonie die Jungtiere der anderen Kolonie entführt und sie als zukünftige Arbeiter in der eigenen Kolonie aufzieht. Auch hier gibt es Ähnlichkeiten mit gewissen sozialen Ameisen, die die Eier und Larven anderer Kolonien entführen, um die Jungtiere für sich arbeiten zu lassen.

Foto: Zoo Zürich, Marco Schaffner
Der Nacktmull ist dank seiner Toleranz gegenüber Inzucht und Kohlendioxid, seiner Langlebigkeit und seiner scheinbaren Resistenz gegen viele Krankheiten, etwa Krebs, ein gefragter Modellorganismus in der Forschung. So können wir von diesem kleinen Tier noch viel lernen, etwa über das Altern oder über Krankheiten und ihre Vorbeugung.
Unsere Nacktmulle im Zoo Zürich
Mit der neuen Lewa Savanne ist auch der Nacktmull im Zoo Zürich eingezogen und erlaubt den Besucherinnen und Besuchern einen Einblick in seine faszinierende Biologie. Der Zoo Zürich beherbergt im Moment zwei Kolonien, die voneinander getrennt sind. Den Kolonien stehen jeweils verschiedene Kammern zur Verfügung, die die Tiere je nach Bedarf als Gemeinschaftskammer, Latrine oder als Vorratskammer nutzen.

Foto: Zoo Zürich, Marco Schaffner
Während ein Teil des Tunnelsystems für die Besuchern einsehbar ist, befinden sich andere Kammern im Hintergrund, um den Tieren eine Rückzugsmöglichkeit zu bieten. In den Kammern herrschen unterschiedliche Temperaturen, wie dies auch in den natürlichen Höhlensystemen der Fall ist.

Foto: Zoo Zürich, Marco Schaffner
Da der Nacktmull kein Wasser trinkt, muss er alle Flüssigkeit über die Nahrung aufnehmen. Diese besteht im Zoo Zürich aus verschiedenen Gemüsen wie Karotten, Randen und anderen Knollen.
Bilder und Videos für Medienschaffende sowie Aufzeichnung des Zoommeetings:
Der Nacktmull in der neuen Lewa Savanne zu Hause.
Die Lewa Savanne ist gekoppelt mit einem langjährigen Naturschutzprojekt in Kenia.