Sind Geckos schlau?
Bei uns im Masoala Regenwald wird derzeit intensiv geforscht. Gleich mehrere verschiedene Forschungsprojekte untersuchen ganz unterschiedliche Dinge. Das reicht von Sensorforschung zur Tieridentifizierung über das Sammeln von Umwelt-DNA zur Bestimmung der Artenvielfalt bis hin zu Kognitionsexperimenten mit Geckos. Letztgenanntes Projekt geht ganz konkret der Frage nach: Sind Geckos schlau?
Sie sitzen meist reglos an Baumstämmen entlang der Besucherwege. Grün wie die umgebenden Pflanzen fallen sie nur auf, wenn man ganz genau hinsieht. Mehrere hundert Madagaskar-Taggeckos leben bei uns im Masoala Regenwald. Zwar ist die Freude oft gross, wenn man tatsächlich einen entdeckt, doch über die Intelligenz von Geckos denkt dabei wohl kaum jemand nach. Zu Recht? Sind Geckos vielleicht viel schlauer als wir meinen?
Dieser Madagaskar-Taggecko weiss bereits ganz genau, was es bedeutet, wenn Biologiestudentin Laetitia Britschgi die graue Kiste aufhängt. Foto: Zoo Zürich, Birte Fröhlich
grosse wissenslücken
Dieser Frage geht derzeit ein Forschungsprojekt der Universität Bern bei uns im Zoo nach. Eva Ringler und ihr Team – Masterstudentin Laetitia Britschgi und Postdoktorandin Brigit Szabo – haben sich der Erforschung der Intelligenz von Amphibien und Reptilien verschrieben. Denn beide Tiergruppen führen in der Kognitionsforschung eher ein Schattendasein.
Nur wenig ist bisher bekannt. Ganz im Gegensatz zur Intelligenz von Säugetieren oder Vögeln. So ziemlich jeder kennt Aufnahmen von sprechenden Papageien, mit Werkzeugen hantierende Affen oder Seehunde, die zählen können. Das dafür eine gewisse Intelligenz vorhanden sein muss, scheint offensichtlich. Umso spannender ist es Arten zu erforschen, die einem in Punkto Tierintelligenz vielleicht nicht als erstes in den Sinn kommen würden.
Test über mehrere Wochen
Im Masoala Regenwald werden daher jeden Tag jeweils zwei Boxen nebeneinander an für Geckos und Forscherin gut zugänglichen Stellen positioniert. Beide Boxen verfügen über einen Gecko gerechten Zugangsspalt und im Inneren über eine Schale mit Futter.
Einziger Unterschied: die Futterschale, die sich jeweils in der rechten Box befindet, ist mit einem Netz abgedeckt, so dass die Geckos nicht ans Futter können, es aber riechen. Die Schale in der linken Box dagegen ist frei zugänglich, die Geckos können fressen. Insgesamt läuft dieser Versuch bereits seit vier Wochen. Die alles entscheidende Frage: Verstehen die Geckos, links gibt’s Futter, rechts nicht? Und spielt dabei auch ihre Persönlichkeit eine Rolle?
Gecko ist nicht gleich Gecko
Um dies sagen zu können, muss die Forscherin die einzelnen Individuen auseinanderhalten, weshalb sie jeden Tag eine Runde durch die Halle dreht und alle Tiere, die sie entdeckt fotografiert, ihren Aufenthaltsort notiert und nach ihrem Verhalten kategorisiert. Bereits hier zeigt sich, Gecko ist nicht gleich Gecko. Es gibt Geckos, die suchen die Nähe zu Artgenossen und sitzen immer in kleinen Gruppen zusammen. Das sind die sozialen Geckos. Ganz anders die Einzelgänger, die man so gut wie nie in der Gruppe antrifft. Auch sind manche Geckos risikofreudiger, wandern mehr umher, zeigen mehr «Entdeckergeist» als andere.
Laetitia Britschgi fotografiert jeden Gecko, den sie entdeckt. Anhand der Musterung kann sie die Tiere unterscheiden. Foto: Zoo Zürich, Birte Fröhlich
Über 300 Individuen konnte die Forscherin so bereits identifizieren und nach Sozialverhalten und Risikobereitschaft einteilen. Auch die Tiere, die regelmässig die Boxen besuchen. Das Experiment wird noch einige Wochen weiterlaufen. Doch bereits jetzt lässt sich eine Tendenz erkennen: Es gibt Geckos, die verstanden haben, dass nicht beide Boxen einen tatsächlichen Zugang zum Futter gewähren, sondern nur die linke Seite. Ob die Persönlichkeit eine Rolle spielt, bleibt abzuwarten.
Diese beiden Geckos sind gesellig unterwegs. Die beiden Ausbuchtungen am Hals enthalten Kalk. Die Gecko-Weibchen benötigen dies für die Eiablage. Foto: Zoo Zürich, Birte Fröhlich.
Erhöhter Schwierigkeitsgrad
Als nächstes wird die Forscherin die Boxen tauschen. Sprich künftig gibt es rechts Futter und links nicht. Für die Geckos heisst das, alles vergessen und neu lernen. Eine immense kognitive Leistung. Zum Vergleich: Viele Menschenkinder jünger als drei haben damit grosse Schwierigkeiten. Sollte sich nun zeigen, dass Geckos eine solche kognitive Leistung erbringen können, wird die Schwierigkeit weiter erhöht. Langfristig ist geplant, das Experiment mit farbigen Boxen durchzuführen. Dann gibt es beispielsweise nur noch in den roten Boxen Futter und die hängen dann jedes Mal an einem anderen Ort.
Gecko Nummer 3 hat die erste Kognitionshürde genommen und befindet sich in Phase 2 des Experiments mit vertauschten Kisten. Sein Blick sagt alles: Wo ist das Futter? Ob er den Tausch durchschaut, wird sich zeigen. Foto: Zoo Zürich, Laetitia Britschgi.
Warum das Ganze?
Nun kann man sich die Frage stellen, wozu solche Erkenntnisse wichtig sind. Ist es nicht egal, ob ein Gecko links und rechts unterscheiden und Farben erkennen kann? Nein, ist es nicht! Denn es schafft Bewusstsein und Aufmerksamkeit für Arten, die sonst oftmals unter dem Radar vieler Menschen laufen. Wer ein Tier für intelligent hält, wird mit diesem anders umgehen. Das Wissen schafft Nähe und eine gewisse Emotionalität und genau das brauchen viele Arten dringend.
SRF Einstein: Intelligenz von Tieren
Mehr Informationen zur Intelligenz von Tieren und zur Forschung von Eva Ringler und ihrem Team gibt es in der SRF-Sendung Einstein.
Schutz funktioniert über Wissen
41 Prozent der weltweit bekannten Amphibienarten sind gefährdet. Bei den Reptilien sind es 21 Prozent. Schauen wir vor die eigene Haustür wird es noch dramatischer: Von den in der Schweiz heimischen Reptilien- und Amphibienarten sind 80 Prozent gefährdet! Auch fehlt uns noch immer sehr viel Wissen. Keiner kann heute sagen, was passiert, wenn grosse Teile ganzer Tiergruppen verschwinden. Kognitions- und Persönlichkeitsexperimente mit Geckos gewähren Einblick in die faszinierende Welt der Reptilien und zeigen uns auf, welche Bedürfnisse die Arten haben. Dieses Wissen ist Grundlage für effektiven Schutz.
Foto: Zoo Zürich, Laetitia Britschgi.