
Pilzliebende Öko-Ingenieure
Das Bürstenschwanz-Rattenkänguru frisst mit Vorliebe Pilze; insbesondere Trüffelartige, die unter der Erde wachsen. Diese Vorliebe hat einen bedeutsamen «Nebeneffekt»: Es macht das kleine Beuteltier zu einem Ökosystem-Ingenieur und damit besonders wertvoll für seinen Lebensraum. Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt und weshalb es ein Paradebeispiel für das Funktionieren der Natur ist, erklären wir hier. Ausserdem zeigen wir das medizinische Training mit Woylies im Zoo.
Die Ohren gespitzt, die Augen wachsam: Als Kleinsäuger muss das Bürstenschwanz-Rattenkänguru, auch Woylie genannt, immer auf der Hut sein – Gefahren lauern überall. Aktuell ist es der Tierpfleger, den das Beuteltier skeptisch beäugt. Er hockt einige Meter entfernt am Boden und streckt dem Woylie auf einem Stab eine kleine Kugel entgegen.
Das Interesse des Mini-Kängurus ist geweckt. Denn es hat gelernt: Kugel = feine Insektenlarven. Und diese stehen, nebst Pilzen, ganz oben auf der Beliebtheitsskala des Woylies.
Video: Zoo Zürich, Sandro Schönbächler
Nach kurzem Zögern und einem letzten Sicherheitscheck hüpft das Tier die letzten Meter zum Tierpfleger, horcht ein letztes Mal auf und berührt dann die Kugel. Darauf erhält es die Insektenlarve zur Belohnung. Training erfolgreich absolviert.
Hinter dem Trainingserfolg stecken Geduld, Ausdauer und viele Leckerbissen. Seit mehreren Monaten üben die Tierpfleger*innen im Lebensraum Australien mit den Woylies.

Kugel mit Mehrwert: Das Woylie hat gelernt «Kugel berühren = feines Futter». Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Das voran beschriebene «Target-Training» ist Teil davon. Das Target ist in diesem Fall die Kugel auf dem Stab. Letzterer sorgt für eine gewisse Distanz zwischen Tier und Tierpfleger*in.
Früherkennung dank Training
Inzwischen klappt das Training so gut, dass unsere drei Woylies die Kugel mehrere Sekunden lang halten, sich strecken, wenn die Kugel gehoben wird, und sich dabei sogar abtasten lassen.

Berühren: Das Woylie berührt die Kugel, das sogenannte «Target». Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Dank diesem Vorgang konnten die Tierpfleger*innen kürzlich bei einem der Tiere eine Beutelentzündung frühzeitig erkennen und erfolgreich behandeln – das grosse Plus des medizinischen Trainings. Denn ohne dieses werden Krankheiten oder Verletzungen oft erst spät erkannt, da die Tiere grösstenteils nachtaktiv und eher scheu sind.

Belohnen: Nachdem das Woylie die Kugel berührt hat, gibt es zur Belohnung einen feinen Insektenlarven-Snack. Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Ein Faible für Pilze
Neben Insektenlarven mag das Bürstenschwanz-Rattenkänguru verschiedene Knollen und Wurzeln wie Randen, Sellerie oder Karotten. Auch Kräuter und Samen stehen auf dem Speiseplan. Die Hauptnahrung des Beuteltiers sind aber Pilze, hauptsächlich im Sommer und Herbst verfügbar.
Woylies fressen dabei nicht nur die Pilzfruchtkörper, die über der Erdoberfläche wachsen. Sie ernähren sich besonders gern auch von unterirdisch wachsenden Pilzen. Im Zoo haben wir deshalb im vergangenen Jahr den Aussenbereich des Woylie-Lebensraums mit Pilzmycel geimpft. Dies ermöglicht es den Beuteltieren künftig, ihre natürliche Verhaltensweise auch im Zoo auszuleben und ausgiebig nach Pilzen zu graben und zu suchen.

Pilzgourmet: Das Bürstenschwanz-Rattenkänguru frisst mit Vorliebe Pilze; insbesondere Trüffelartige, die unter der Erde wachsen. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Essential workers
Bürstenschwanz-Rattenkängurus sind besonders gute Graber und Buddler. Dank ihrer langen und kräftigen Krallen ist kaum ein Boden zu hart für sie. Das macht sie zu sogenannten Ökosystem-Ingenieuren in ihrer eher trockenen und sandigen Heimat in Australien. Ökosystem-Ingenieure sind Tierarten, die einen massgeblichen Einfluss auf das Ökosystem haben, worin sie leben. Von ihrer Anwesenheit profitieren zahlreiche weitere Arten.
Durch seine Grabtätigkeit locker, mischt und belüftet das Woylie den Boden. Das fördert wiederum das Wachstum von Pflanzen und verbessert die Wasseraufnahme des Bodens. Indem es Pilze frisst, verbreitet es über seinen Kot zudem deren Sporen. Dadurch entstehen mehr Symbiosen zwischen Pflanzen und Pilzen, was deren Nährstoffversorgung verbessert.

Zum Buddeln gemacht: Das Woylie hat lange und starke Krallen, mit denen es selbst trockene, harte Böden aufgraben kann. Foto: Zoo Zürich, Fabio Süess
In Gegenden, in denen das Bürstenschwanz-Rattenkänguru früher verbreitet war und heute fehlt, verarmt die Biodiversität – mit entsprechend negativen Folgen. In Australien lässt sich das bereits vielerorts beobachten.
Fragile Verschnaufspause
Das hat dazu geführt, dass vor Ort Schutzmassnahmen für das Bürstenschwanz-Rattenkänguru ergriffen wurden. Dank dieser konnte sich der stark unter Druck stehende Bestand des Woylies in den vergangenen 10 Jahren deutlich erholen. Aktuell kommt die Art in 19 Gebieten vor, mit einer Populationsgrösse von schätzungsweise 140'000 Tieren.
Beim letzten Update der Roten Liste vom Februar 2025 hat die Weltnaturschutz-Union IUCN das Bürstenschwanz-Rattenkänguru deshalb umgestuft: von «vom Aussterben bedroht» auf «potentiell gefährdet» – vorläufig. Vorläufig, weil es die Kriterien für diese Kategorie nur sehr knapp erreicht hat und weil die Population der Art in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehrfach starken Schwankungen ausgesetzt war. Es braucht nicht viel, damit die Bestände erneut drastisch einbrechen.

Hoppelhoppel: Das Bürstenschwanz-Rattenkänguru ist zwar klein – aber eben doch ein Känguru. Foto: Zoo Zürich, Albert Schmidmeister
Zu den grössten Gefahren für das Woylie zählen neben dem Verlust von Lebensraum vor allem der Klimawandel und die Konkurrenz und Bedrohung durch die Einschleppung gebietsfremder und oft schädlicher Arten. Australien gilt als Kontinent der invasiven Exoten. Im Australienhaus macht der Zoo Zürich auf diese Problematik mit einer Ausstellung aufmerksam.
Rettende Zäune
Die grössten Überlebenschancen haben Woylies in Australien deshalb in eingezäunten Schutzgebieten. Diese sind frei von invasiven Beutegreifern wie Füchsen oder Katzen. Auf diese Weise konnte die Art an mehreren Orten erfolgreich wiederangesiedelt werden. Für einen dauerhaften Erfolg müssen die Schutzmassnahmen allerdings aufrechterhalten werden.

Abwechslung auf dem Speisezettel: Auch Knollen und Wurzeln wie etwa Randen verschmäht das Woylie nicht. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
In Zukunft dürfte die Klimaveränderung, und in der Folge davon das Auftreten anhaltender Dürreperioden, zu einem weiteren Problem für die Art werden. Die schwerwiegende Dürreperiode 2023/2024 im Südwesten Australiens, dem Hauptverbreitungsgebiet der Art, führte bereits abermals zu einer spürbaren Verkleinerung der Population.
Alles hängt zusammen
Der Kampf um den Fortbestand des Bürstenschanz-Rattenkängurus ist ein gutes Beispiel dafür, wie fragil die Natur ist. Kleine Veränderungen können gravierende Folgen haben. Gerade, wenn Arten betroffen sind, die für das Funktionieren eines Ökosystems besonders bedeutsam sind, zeigen sich schnell grosse Auswirkungen.
Der Zoo Zürich beteiligt sich deshalb am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm EEP für das Woylie. Dadurch ist der Fortbestand des kleinen Beuteltiers nicht nur durch Schutzmassnahmen vor Ort gesichert, sondern auch durch die Haltung einer Reservepopulation in Zoos.