Essen in der Regenwald-WG
Jedem Tierchen sein Pläsierchen, oder genauer: jedem Tier das richtige Futter – diesen Anspruch in einer Gemeinschaftshaltung wie dem Masoala Regenwald einzulösen, ist komplex. Wie die Tierpfleger*innen dafür sorgen, dass alle das Richtige fressen und niemand hungrig bleibt, erklären wir hier.
Er ist die grösste WG bei uns im Zoo Zürich: der Masoala Regenwald. Auf 11'000 Quadratmetern teilen sich ungefähr 500 Tiere einen gemeinsamen Lebensraum. Sie gehören rund 40 verschiedenen Arten an – und haben entsprechend unterschiedliche Bedürfnisse. Zum Beispiel, was ihre Ernährung anbelangt.
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder
Für die Tierpfleger*innen bringt das einige besondere Herausforderungen mit sich. Denn nicht unähnlich dem Kühlschrank in einer Menschen-WG haben im Masoala Regenwald im Prinzip alle Zugang zu allen Verpflegungsoptionen – aber nicht alle sollten alles essen können.
Dreimal pro Woche liefert die zentrale Futterküche verschiedene Gemüse und Früchte in den Masoala Regenwald. Foto: Zoo Zürich, Daniel Egger
Bereit zum Austragen: das Futter für die verschiedenen Tiere im Masoala Regenwald. Foto: Zoo Zürich, Daniel Egger
Gemüsediät für die Varis
Der Rote Vari zum Beispiel würde sich am liebsten den ganzen Tag von süssen Früchten ernähren – egal, für wen diese eigentlich bestimmt sind. Zu viel Zucker schadet aber den Zähnen des Lemuren. Und zu viel Vitamin C ist sogar richtig schlecht für ihn.
Um den Vitamin- und Zuckeranteil zu kontrollieren, reichern die Tierpfleger*innen das Futter des Roten Varis deshalb täglich mit zucker- und Vitamin-C-armen Gemüserationen an, etwa in Form von Randen, Gurken oder Chicorée – je nach Saison. Zusätzlich bieten sie den Lemuren an definierten Futterstellen Affenpellets an, eine Art Futterwürfel, mit passenden Inhaltsstoffen.
Der Rote Vari kommt nur auf der Masoala Halbinsel vor und ist durch die Abholzung seines Lebensraumes vom Aussterben bedroht. Foto: Zoo Zürich, Fabio Süess
Im Zoo Zürich leben sieben Rote Varis: ein Männchen und sechs Weibchen, die das Sagen haben. Foto: Zoo Zürich, Robert Zingg
Futterampel für die Flughunde
Auch die Flughunde mögen am liebsten reife Früchte. Sie zerstückeln das Fruchtfleisch im Mund, stossen die Fasern wieder aus und schlürfen den Saft. Im Gegensatz zum Roten Vari ist für die Flughunde ein hoher Vitamin-C-Anteil wichtig für die Gesundheit.
Der Rodrigues-Flughund kommt in der Natur ausschliesslich auf der Insel Rodrigues vor und dort nur in einem einzigen Tal. Foto: Zoo Zürich, Corinne Invernizzi
Dass die Flughunde süsse Snacks wie Orangen und Mangos erhalten, bleibt den Roten Varis natürlich nicht verborgen. Die Tierpfleger platzieren die Futterteller der Flughunde deshalb mithilfe einer Seilwinde in luftiger Höhe schwebend. Das alleine reicht allerdings noch nicht, um die Roten Varis vom Flughund-Futter fernzuhalten. Erst ein grosses, bauchiges Fass über dem Seil verhindert, dass sich die geschickten Kletterer nicht einfach dem Seil entlang zum Futterteller hangeln.
Weisse Fässer über dem Seil sorgen dafür, dass sich die geschickten Roten Varis nicht dem Seil entlang zu den Futterkörben der Flughunde hinunter hangeln. Foto: Zoo Zürich, Daniel Egger
Stocherkiste für den Mähnenibis
Der Mähnenibis ist ein bodenlebender Vogel. In der Natur frisst er Insekten, Insektenlarven, Würmer, Schnecken, Spinnen, Amphibien oder auch kleine Reptilien. Im Masoala Regenwald suchen sich die Mähnenibisse einen Teil ihres Futters selbst zusammen. Die Tierpfleger*innen versorgen die Vögel aber zusätzlich mit einer ergänzenden Portion Fleisch (zum Beispiel Hackfleisch, Insektenschrot, kleine Fische oder Muschelfleisch).
Dreck am Stecken: Der Mähnenibis hat oft Erde an seinem Schnabel kleben. Das hat mit seinem Fressverhalten zu tun: Mit dem langen Schnabel wühlt er im Boden nach Nahrung. Foto: Zoo Zürich, Corinne Invernizzi
Ihre Fleischbeilage erhalten die Mähnenibisse nicht auf dem Teller – sondern in einer speziellen «Stocherkiste»: einer verschlossenen Box mit kleinen Löchern. Während der Mähnenibis mit seinem langen, gebogenen Schnabel das Fleisch durch die Löcher aus der Box picken kann, haben andere Tiere – zum Beispiel Enten – keine Chance, sich die Snacks zu holen.
Exklusiv für Langschnäbel: Die Stocherkiste sorgt dafür, dass nur die Mähnenibisse mit ihren langen, gebogenen Schnäbeln an das Futter darin gelangen. Potenzielle Mitesser wie etwa Enten sind chancenlos. Foto: Zoo Zürich, Daniel Egger
Fliegende Snacks für die Bienenfresser
Die Bienenfresser im Masoala Regenwald erhalten ihr Futter hoch auf dem Turm des Baumkronenweg-Wegs – und zwar im Flug. Mit einem akustischen Signal melden die Tierpfleger*innen den Bienenfressern die Fütterung an. Dann werfen sie lebende Heimchen (Hausgrillen) in die Luft. Die Bienenfresser schnappen sich diese im Flug und verspeisen sie noch in der Luft.
Foto: Zoo Zürich, Daniel Egger
In der Natur fressen die Bienenfresser, wie es der Name vermuten lässt, Bienen, aber auch Wespen. Bevor sie sie fressen, töten sie ihre stachelige Beute und kneten sie durch, so dass sich deren Giftdrüsen.
Die Bienenfresser sind seit 2013 im Bestand des Zoo Zürich. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Zungentechnik beim Pantherchamäleon
Die Pantherchamäleons erhalten je nach Grösse Grillen oder Heuschrecken zu fressen. Um sicherzustellen, dass sie genug bekommen, füllen die Tierpfleger*innen drei Mal pro Woche Futterkörbe in unmittelbarer Nähe der Chamäleons mit Insekten.
Seinen Snack schnappt sich das Pantherchamäleon mit einem Zungenschuss. Die Zunge eines Chamäleons kann bis zu eineinhalbmal so lang werden wie sein Körper. Im Mund ist sie nicht aufgerollt, sondern schlapp und zusammengezogen.
Gut gezielt ist halb gefressen: Ein Pantherchamäleon holt sich mit Zungenschuss sein Futter. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Hat das Chamäleon eine Beute anvisiert, schiesst es innert einer Zehntelsekunde seine Zunge zum Ziel. Beim Auftreffen zieht sich an der verdickten Zungenspitze blitzartig ein Muskel zusammen und erzeugt einen kegelförmigen Hohlraum. So entsteht ein Luftsog, der die Beute heransaugt. Ein Sekret sorgt zusätzlich dafür, dass das Insekt besser haften bleibt und sicher im Maul landet.
Grosses Maul: Pantherchamäleons schnappen sich auch vergleichsweise grosse Beutetiere. Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini
Naturschutz seit 28 Jahren
Seit 1995 setzt sich der Zoo Zürich in der Region Masoala für die Erhaltung des Regenwalds ein. Jährlich steuert er 125'000 US-Dollar an den Nachhaltigkeitsfonds des Masoala Nationalparks bei. Zudem unterstützt er Wiederaufforstungsprojekte und die Umweltbildung von Schulkindern.