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  • Goodman-Mausmaki im Masoala Regenwald im Zoo Zürich.

    Alle Mausmakis auf die Waage, bitte!

    Wissen ist die wichtigste Ressource für erfolgreichen Natur- und Artenschutz. Darauf baut alles auf. Was gilt es zu schützen, wie und wodurch am besten? Der Zoo Zürich ist aktuell an über 70 Forschungskollaboration beteiligt. Ein besonders spannendes Projekt findet zurzeit im Masoala Regenwald statt. Es untersucht unter anderem die Gewichtsveränderungen der Goodman-Mausmakis – eine der kleinsten Lemuren-Arten der Welt.

    Der verlockende Duft von frischem Obst und Insekten lockt den nur rund neun Zentimeter grossen und nachtaktiven Goodman-Mausmaki zum Röhreneingang. Kaum ist er hineingeschlüpft, hat der Sensor den Besucher bereits registriert. Ohne es zu ahnen, ist der Mini-Lemur nun Studienteilnehmer.

    Eingangsklappe zum Prototypen Mausmaki-Monitoring

    Aktuell schliesst die Klappe am Eingang zum Prototyp nur zu Testzwecken. Foto: Zoo Zürich, Birte Fröhlich.

    Die Box, in der das Tier steckt, ist ein Hightech-Apparat, ausgestattet mit allerlei Sensoren, Lesegeräten und Datenloggern. Entwickelt hat ihn Elektroingenieursstudent Jonas Peter zusammen mit seinen Betreuern Victor Luder und Institutsleiter Michele Magno vom D-ITET Center for Project-based Learning (PBL) an der ETH Zürich.

    Noch viel zu lernen

    Derzeit testet er den zweiten Prototypen im Masoala Regenwald. Dabei steht er auch in ständigem Austausch mit der Forschungskuratorin des Zoo Zürich, Leyla Davis. Von ihr stammt die ursprüngliche Idee für das System.

    Jonas Peter von der ETH Zürich arbeitet am Prototyp.

    Jonas Peter von der ETH Zürich überprüft die Einstellung aller Sensoren. Foto: Zoo Zürich, Birte Fröhlich.

    Der Goodman-Mausmaki wurde 2005 erstmals wissenschaftlich beschrieben. Als 2007 die ersten Tiere im Masoala Regenwald einzogen, war das Wissen zur Art noch sehr rudimentär. Der Zoo hat daher von Beginn an Pionierarbeit geleistet, indem er die Population überwacht und alle Erkenntnisse über ihre Ausbreitung, Ernährung und soziale Dynamik dokumentiert hat. 

    So entstand ein erster umfassender Datensatz zum Lebenszyklus, der Gesundheit und dem Verhalten der Tiere, der durch das neue System nun weiter ausgebaut wird. Für die Erforschung und den Schutz der gefährdeten Art ist dies auf lange Sicht eine besonders wertvolle Ressource.

    Goodman-Mausmaki bei Nacht im Masoala Regenwald im Zoo Zürich.

    Goodman-Mausmakis schlafen tagsüber und werden erst in der Dunkelheit aktiv. Foto: Zoo Zürich, Goran Basic.

    Deutlich vereinfacht wird auch das Monitoring der Mausmaki-Population im riesigen und undurchsichtigen Ökosystem Masoala Regenwald. Die nachtaktiven und nur rund 40 Gramm schweren Lemuren wagen sich erst in der Dämmerung aus ihren Verstecken und sind oft schwer zu entdecken. Mit dem bisherigen System war nur eine ungefähre Schätzung des Bestands möglich. 

    Win-Win für alle

    Die von Jonas Peter mitentwickelte Box erzielt hier eine klare Verbesserung. Sie ermöglicht es, einzelne Individuen gezielt zu fangen und so den Bestand besser zu kontrollieren. Das ist insbesondere mit Blick auf die Zucht der gefährdeten Art und die Sicherung einer stabilen Reservepopulation in Zoos relevant. Aktuell leben rund 90 Tiere in der Halle.

    Und auch der Elektroingenieur profitiert vom Projekt. Die tropischen Bedingungen im Masoala Regenwald sind eine Herausforderung für jede technische Entwicklung. Die Funktionalität von Sensoren und sensibler Technik in Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit aufrecht zu erhalten, erfordert ausgeklügelte Schutzmechanismen. Zudem gilt es eine genaue Datenerfassung zu gewährleisten, auch wenn sich die Tiere in der Box ständig bewegen.

    Lesegerät oberhalb der Röhre am Eingang des Prototypen.

    Ein Lesegerät oberhalb der Eingangsröhre liest den Chip des Mausmakis aus, der die Konstruktion betritt. Foto: Zoo Zürich, Birte Fröhlich.

    Während der in die «Falle» getappte Mausmaki noch die letzten Schritte zur Futterschale macht, hat ein in der Decke eingelassenes Lesegerät bereits registriert, ob das Tier gechippt ist oder nicht. 

    In einer künftigen Version des Systems dient diese Information dazu festzulegen, ob ein Tier gefangen werden soll: Beispielsweise, weil es ein Jungtier ist, das es zu chippen gilt. Das Gerät lässt sich aber auch gezielt auf einen Chip programmieren. Die Klappe schliesst dann nur, wenn der Sensor diesen Chip und damit ein bestimmtes Tier erfasst.

    Goodman-Mausmaki an Futterschale in Prototyp.

    Unter der Futterschale im Boden ist eine Waage eingelassen, die das Gewicht des Mausmakis sekündlich registriert. Foto: ETH Zürich, Jonas Peter.

    In der aktuellen Testphase ist der Weg nach draussen jedoch immer frei. Gefangen wird noch nicht, gewogen allerdings schon. Im Boden unter der Futterschale ist eine hochsensible Waage eingelassen. Sie misst Sekunde für Sekunde nicht nur das Gewicht des Makis grammgenau, sondern registriert auch Gewichtsveränderungen, wenn das gleiche Tier zum wiederholten Mal in der Box ist. 

    Einblick in das Mausmaki-Leben

    Ein Datenlogger schickt alle Informationen per LoRaWan (Long Range Wide Area Network), welches vom ewz speziell für den Test zur Verfügung gestellt wurde, ohne Zeitverzögerung direkt in die Cloud. Neben dem Gewicht erfasst der Apparat auch weitere Parameter wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit, sowohl im Regenwald als auch in der Box.

    Anzeige für Temperatur und Luftfeuchtigkeit am Prototyp.
    Prototyp zum Mausmaki-Monitoring im Masoala Regenwald.
    Jonas Peter mit Prototyp im Masoala Regenwald.
    Blick ins Innere des Prototyp auf die Waage.
    Blick auf den ersten Prototyp.

    Es entsteht eine detaillierte Messreihe zu den Gewichtsveränderungen der Population in Korrelation zu Jahreszeit, Temperatur, Luftfeuchte. Alles Faktoren, die einen Einfluss auf die Tiere haben, zu denen es aber bisher wenig Daten gibt.

    Spannende erste Daten

    Genau aus diesem Grund findet der Test auch im Herbst statt. Das ist die Zeit des Jahres, wenn sich Mausmakis auf die Winterruhe vorbereiten. In dieser Zeit verdoppeln die Tiere ihr Gewicht von rund 40 auf teils über 70 Gramm. Sie fressen sich Fettreserven für die inaktive Jahreszeit an.

    Goodman-Mausmaki schlürft Nektar aus Euphorbia geroldii.

    Auch den Nektar der Euphorbia geroldii wissen die Goodman-Mausmakis zu schätzen. Foto: Zoo Zürich, Fabio Süess.

    Bereits liegen erste Aufzeichnungsergebnisse des Prototyps vor. Sie zeigen: Einige Tiere haben innerhalb von zwei Wochen gut 10 Gramm Körpergewicht zugelegt. Das wäre etwa so, als wenn ein 80 Kilogramm schwerer Mensch in zwei Wochen 12 Kilogramm zunehmen würde. 

    Beim Goodman-Mausmaki ist diese Zunahme aber nicht einmalig, sondern ein kontinuierlicher Prozess, bis er sein Endgewicht von über 65 Gramm für die Winterruhe erreicht hat.

    Grafik zur Gewichtsveränderung des Goodman-Mausmaki im Zoo Zürich.

    Die Grafik zeigt die Gewichtsveränderung sowie die Anzahl Besuche der Box im Verlauf eines Monats. Grafik: ETH Zürich, Jonas Peter.

    Wichtige Erkenntnisse für den Artenschutz

    Da bislang nur ein Prototyp existiert, ist der Datenzuwachs aktuell noch klein. Das Potential der Konstruktion ist aber bereits ersichtlich. In einem nächsten Schritt könnten mehrerer solcher Boxen innerhalb des Masoala Regenwald verteilt werden, langfristig in mehreren Zoos. Und das nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft. 

    Der Goodman-Mausmaki möchte fressen, ob die Futterschale nun in einer Box steht oder daneben, ist für ihn unerheblich. Für den Artenschutz und die Forschung dagegen macht es einen grossen Unterschied. Und so ist diese Forschungskollaboration eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

    Goodman-Mausmaki im Zoo Zürich.

    Foto: Zoo Zürich, Fabio Süess.