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  • Korallenriff Fiji

    Abtauchen im Riff

    Die österreichische Meeresbiologin Verena Schöpf erforscht in Australien resistente Super-Korallen. Für die Riffe wünscht sie sich kühlere Temperaturen.

    Was ist ein gesundes, was ein gebleichtes Riff?
    Das intakte Riff ist voller Farben und einer unglaublichen Vielzahl an Lebewesen. Es hat eine stark dreidimensionale Struktur, die vielen Lebewesen die unterschiedlichsten ökologischen Nischen bietet. Im gebleichten Riff werden die Korallen erst schneeweiss. Sobald sie tot sind, werden sie von Algen überwachsen, die ihnen eine grau-grüne Farbe verleihen. Wenn die toten Korallenskelette erodieren und zusammenfallen, verschwindet auch die dreidimensionale Struktur immer mehr und damit auch viele Bewohner. Solche Riffe erfüllen auch die vielen Funktionen nicht mehr, die gerade auch für uns Menschen wichtig sind, wie der Schutz der Küsten, der Tourismus usw.

    Vom Great Barrier Reef hörten wir traurige Nachrichten – was ist passiert?
    2016 wird leider als das Jahr in die Geschichte eingehen, wo das Great Barrier Reef die dritte und bisher schlimmste Massenkorallenbleiche erlebt hat. Nur 7 Prozent sind der Korallenbleiche entkommen. Schätzungen zeigen, dass in gewissen Regionen schon ein Drittel der Korallen tot ist. Es ist nicht nur das Great Barrier Reef betroffen, sondern die Korallenriffe weltweit.

    Ausgelöst wurde diese Korallenbleiche durch eine Kombination von Klimaerwärmung und einem sehr starken El-Niño-Jahr, das in vielen Meeren der Welt zu wärmeren Wassertemperaturen führt. Hitze ist der Hauptstressfaktor. Intensive Sonneneinstrahlung durch Windstille und wenig Wolken verstärkt den Hitzestress.

    Abgesehen vom Klimawandel gibt es noch andere Belastungen für Korallenriffe. Zum Beispiel die Versauerung der Ozeane, die bewirkt, dass es immer schwieriger wird für Korallen, ihr Kalkskelett zu bilden. Oder auch die Überfischung, die Zyklone oder die Dornenkronenseesterne, die die Riffe buchstäblich auffressen.

    Wo setzt Ihre Forschung an?
    Ich erforsche besonders stressresistente Korallen, die in der Kimberley Region in Nordwest-Australien vorkommen. Diese Super-Korallen halten mehr Stress aus als andere Korallen, da sie in einer sehr extremen Gegend vorkommen. Ich versuche die Mechanismen zu studieren, die ihnen das ermöglichen. Das hilft uns zu verstehen, ob und wie Korallen sich an den Klimawandel anpassen können. Die Tatsache, dass es Korallen wie die in Kimberley gibt, beweist, dass Korallen insgesamt sehr viel aushalten können – aber man muss ihnen genug Zeit geben, so dass Evolution passieren kann. Leider findet der Klimawandel so schnell statt, dass ihnen da fast keine Zeit bleibt.

    Wie beeinträchtigen Plastikmüll und Mikroplastik die Riffe?
    Mikroplastik wird von sehr vielen Meeresbewohnern als Nahrung aufgenommen und richtet dadurch grosse Schäden an. Weiter treiben Plastiksäcke und anderer Müll oft im Riff und schädigen Riffbewohner und auch die Korallen, da sie oft an ihnen hängen bleiben.

    Was können wir für die Riffe tun?
    Als Konsument oder Wahlberechtigter kann jeder einen kleinen Beitrag dazu leisten, den Markt und die Politik in umwelt- und klimafreundlichere Richtungen zu lenken. Das Wichtigste ist aber, die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren und auf erneuerbare Energien umzusteigen.

    Sie sind ein Kind der Berge, aufgewachsen in Innsbruck. Wie kommt es, dass Sie sich einem Leben im Tropengürtel verschrieben haben?
    Als ich als Kind die Filme von Hans Hass sah, war für mich sofort klar, dass ich das später auch einmal machen will: Meeresbiologin zu werden und das Meer zu erforschen. Wir haben viele Sommer am Meer verbracht, wo ich dann stundenlang schnorcheln war, und das hat mich darin nur bestärkt. Als ich elf oder zwölf war, hat mich meine Oma auf eine Reise nach Ägypten mitgenommen. Da habe ich zum ersten Mal tropische Korallenriffe gesehen. Das hat mich zutiefst beeindruckt und ich wollte mehr über dieses faszinierende Ökosystem lernen. Natürlich hat man als Kind viele Träume, aber mir ist sozusagen nie etwas (noch) Besseres eingefallen und so bin ich dabei geblieben. Hans Hass – speziell als Österreicher – war mein grosses Vorbild, auch wenn da inzwischen natürlich viele andere auch dazu gekommen sind.

    Ich habe dann im Gymnasium meine Abschlussarbeit für die Matura über die Lebewesen der Tiefsee geschrieben. Es war keine Frage, dass ich Biologie studieren würde – zuerst in Innsbruck mit vielen meeresbiologischen Kursen, dann an der Meeresbiologie in Wien, wo ich schliesslich meine Masterarbeit am Roten Meer gemacht habe. Danach bin ich in die USA gegangen, um dort meine Doktorarbeit zu machen und mich weiterhin mit Korallenriffen zu beschäftigen. Mit meinem Umzug nach Perth in Australien habe ich es erstmals geschafft, endlich am Meer zu leben und die Korallen fast vor der Haustür zu haben.

    Sie verbringen viel Zeit unter Wasser, den Fokus auf den Korallen. Welche anderen Riffbewohner gefallen Ihnen besonders?
    Da gibt es so viele, dass es mir fast schwerfällt, bestimmte hervorzuheben. Kugelfische, weil ihre Flossenbewegungen so lustig aussehen. Oktopusse und Sepias aufgrund ihrer faszinierenden Farbenspiele. Die farbenprächtigen Nacktschnecken oder die lustigen christmas tree worms, die oft in den Korallen leben. Und viele, viele mehr!

    Fühlen Sie sich als Teil der Unterwasserwelt oder fürchten Sie sich auch manchmal, wenn ja wovor?
    Meistens fühle ich mich definitiv als Teil der Unterwasserwelt und sprichwörtlich wie ein Fisch im Wasser. Man muss allerdings auch realistisch sein – es gibt durchaus Top-Prädatoren im Meer, die uns gefährlich werden können. Speziell in Australien ist man sich dessen durchaus immer irgendwo bewusst. Es gibt hier Haie und Krokodile, oder auch unsichtbare Quallen, die einen töten können. Allerdings spielt das eigene Verhalten eine grosse Rolle und ich finde es wichtig zu betonen, dass das Meer deren Lebensraum ist und nicht unserer.

    Welches Forschungsfeld würde Sie interessieren, wenn Sie nochmals ganz neu starten könnten?
    Die Verhaltensforschung. Speziell wenn es um hochentwickelte Tiere geht, die komplexe soziale Verhaltensweisen an den Tag legen, wie z.B. Delfine oder Menschenaffen.