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  • Westlicher Flachlandgorilla N'Gola im Zoo Zürich.

    Medien-Apéro Juni: N'Gola

    Der Silberrücken-Mann der Gorillagruppe im Zoo Zürich begeht heute, am 21. Juni 2017, seinen 40. Geburtstag. Ein Gorillaweibchen steuert ebenfalls auf dieses Alter zu. Und bei den Orang-Utans hat es Nachwuchs gegeben.

    Mit zu den populärsten Tieren im Zoo zählen die Menschenaffen, und innerhalb der Primaten mit ihrer ruhigen Art insbesondere die Gorillas. Was uns heute über die Gorillas «bekannt» ist, ist Wissen, dass noch nicht sehr alt ist. Freilandbeobachtungen an Gorillas unternahm 1959 erstmals Georg Schaller. In den 1960-er Jahren folgten die Arbeiten von Dian Fossey und ab 1980 nahmen sich weitere Forscher der Gorillas im Freiland an.

    180 Jahre ist es her, seit die Gorillas durch die Beschreibung eines amerikanischen Missionars und eines amerikanischen Anatomen Eingang in die Wissenschaften gefunden haben. 1855 lebte in Liverpool zum ersten Mal ein Gorilla in Europa – irrtümlich noch als Schimpanse bezeichnet. 1876 und 1883 kam je ein Tier ins Aquarium Berlin und bis 1908 folgten sieben weitere Tiere in den Zoologischen Garten London.

    In Zürich gelangte schon zwei Jahre nach der Zooeröffnung 1929 der erste Gorilla in den Zoo. Er lebte vier Jahre hier. Ein weiteres Tier gab 1932 ein kurzes Gastspiel. 1963 folgte für einige Jahre ein Paar, Copa und Copina. Den Grundstock der heutigen Zürcher Gorillagruppe bildeten Tiere, die zwischen 1979 und 1984 nach Zürich kamen: 1979 Hobbit und Mamitu, 1981 Golo und Nache und 1984 N’Gola und Inge.

    Bemerkenswerte Familienhistorie

    N’Gola wurde am 21. Juni 1977 auf der Kanalinsel Jersey geboren. Seine Mutter war ein Wildfang, sein Vater ein gebürtiger Basler. Die Geschichte seiner Vorfahren ist bemerkenswert: 1948 erwarb der Zoo Basel aus einem Import in Paris den Gorilla Achilles. Das Tier sorgte 1952 für die ersten Schlagzeilen. Nachdem Achilla – man hatte unterdessen bemerkt, dass es sich nicht um ein männliches sondern ein weibliches Tier handelte – einen Kugelschreiber verschluckt hatte, wurde erstmals ein Gorilla für eine Operation in Narkose gelegt. Aus dem Zoo Colombus erwarb Basel 1954 das Männchen Christopher, fortan Stefi genannt. 1959 gebar Achilla ihr erstes Jungtier Goma. Goma war der zweite in Menschenobhut geborene Gorilla, und der erste in Europa. Da Achilla sich nicht um ihre Tochter kümmerte, wuchs Goma im Haushalt des Zoodirektors auf.

    1961 brachte Achilla mit Jambo ihr zweites Jungtier zur Welt. Jambo war erst der dritte in Menschenobhut geborene Gorilla und zugleich der erste, der von seiner Mutter aufgezogen wurde. Jambo kam 1972 nach Jersey und wurde dort Vater von N’Gola. Auch heute hat N’Gola immer noch Verwandtschaft in Basel: seine beiden Tanten Goma (58) und Quarta (49).

    N’Gola kam 1984 im Tausch gegen das Männchen Hobbit im Alter von sieben Jahren nach Zürich. Hier traf er auf die Weibchen Mamitu, Nache und Inge sowie auf das drei Jahre jüngere Männchen Golo, allesamt in Stuttgart geboren und von Hand aufgezogen. Ein Jahr nach seiner Ankunft, nunmehr rund 60 Kilogramm schwer, startete N’Gola seine ersten Paarungsversuche. 1986 brachte Mamitu (im gleichen Jahr wie N’Gola geboren) ihr erstes Junges zur Welt. Zwischen den beiden Männchen N’Gola und Golo entwickelten sich zum Teil heftige Auseinandersetzungen, so dass sie oft getrennt werden mussten. Auch zwischen Mamitu und N’Gola hing der Haussegen zeitweise schief. Die Auseinandersetzungen bekamen auch die Jungtiere zu spüren, die von den Männchen quasi als «soziales Pfand» missbraucht wurden. 1989 wurde Golo schliesslich nach Budapest abgegeben. Zu dieser Zeit wog N’Gola bereits über 150 Kilogramm.

    Ein umsichtiger Silberrücken

    1990 stiess Sandra als neues Weibchen zur Gruppe. Sie war von Hand aufgezogen worden und benötigte einige Zeit, um sich in Zürich zu integrieren. Nebst der Abgabe von Jungtieren an der Schwelle zur Geschlechtsreife gab es weitere Veränderungen in der Zusammensetzung von N’Golas Harem; Veränderungen, die N’Gola als Silberrücken und Haremsführer jeweils sichtlich beschäftigten. Bei der Abgabe oder beim Tod von Tieren aus seinem Harem suchte N’Gola noch ein paar Tage nach den fehlenden Gruppenmitgliedern und unterstrich seine Besorgnis mit seinem Wimmern.

    Inge, das rangniedrigste Weibchen, wechselte 1997 nach Frankreich in den Zoo von Beauval. 2002 starb Sandra überraschend an den Folgen eines Fuchsbandwurmbefalls. Mit N’Yokumi und Mary stiessen 2005 und 2010 zwei neue, junge Weibchen zur Gruppe. Beide kamen aus der Aufzuchtstation in Stuttgart zur Integration in eine sozial kompetente Gorillagruppe. N’Gola hatte sich über die Jahre zu einem toleranten und umsichtigen Silberrücken entwickelt, der sich auch seiner Jungmannschaft als Spielpartner anbot.

    Die Integration der zwei Weibchen stellte sowohl die Gorillagruppe als auch die Pfleger vor grössere Herausforderungen. Beide Weibchen hatten zunächst Angst vor N’Gola und schienen eine andere soziale «Sprache» zu sprechen. Sie griffen den Silberrückenmann sogar an. Einige dieser Angriffe tolerierte N’Gola, doch dann musste er, nur schon seiner Position wegen, die Jungtiere massregeln, was ihn wiederum in Konflikt mit den älteren Weibchen brachte. Die Phase der Integration dauerte in beiden Fällen etwa zwei Jahre – eine harte Lebensschule für die Jungtiere ohne Begleitung durch ihre Mütter.

    2012 verlor N’Gola mit Nache eine langjährige Begleiterin. Hochträchtig platzte bei Nache der Blinddarm, was nach einem Abort zu ihrem Tod führte.

    Gesundheitliche Krise

    Wenn es dem Silberrücken nicht gut geht, insbesondere im fortgeschrittenen Alter, gibt dies Anlass zu besonderer Besorgnis. Dies war 2012 der Fall. Im März jenen Jahres wurde N’Gola in Narkose gelegt, um den Ursachen seiner angeschlagenen Gesundheit auf den Grund zu gehen. Anzeichen von Arthrose wurden diagnostiziert und es wurde ein noch nicht gravierendes Herzproblem festgestellt. Herzprobleme treten bei über dreissigjährigen Gorillamännchen vermehrt auf. Es gibt sogar ein spezielles Diagnostikzentrum, das bei der Diagnose solcher Probleme bei Menschenaffen beratend zur Seite steht. Mit der veterinärmedizinischen Betreuung erholte sich N’Gola wieder.

    Im Juli 2013 wurde N’Gola abermals apathisch, frass kaum noch, schlief viel und verlor deutlich an Gewicht. (Zu seinen besten Zeiten hatte er gegen 250 Kilogramm gewogen). Im August wurde er erneut in Narkose gelegt und von einem Spezialistenteam gründlich untersucht. Das Resultat: Sein Herzproblem hatte sich nicht verschlimmert, aber auf der Leber wurde im Ultraschall eine auffällige Struktur entdeckt. Sie entpuppte sich nach weiteren Untersuchungen als Befall mit dem Fuchsbandwurm. Trotz intensiver veterinärmedizinischer Betreuung stabilisierte sich N’Golas Zustand zunächst nicht. Es folgte im Rhythmus von etwa zwei Wochen ein Auf und Ab von Phasen mit und praktisch ohne Nahrungsaufnahme. N’Gola nahm seine Aufgaben als Chef der Gruppe nicht mehr wahr. Die Jungmannschaft verlor den Respekt vor ihm und bediente sich auch an Leckerbissen in seiner nächsten Nähe; etwas, das N’Gola in gesunden Zeiten nie zugelassen hätte.

    Zwei Monate später stabilisierte sich N’Golas Gesundheitszustand zur allgemeinen Erleichterung dann aber. Er nahm wieder regelmässig Nahrung zu sich und übernahm Schritt für Schritt auch seine Chefaufgaben wieder. Er verteidigte «sein» Futter, intervenierte bei Streitigkeiten und mochte ihm nicht ganz geheuer erscheinende Personen als Ausdruck seines Unwillens auch wieder «anzuhusten».

    Überraschendes Engagement in der Kinderbetreuung

    Die Betreuung der Jungtiere ist bei den Gorillas eine klare Aufgabe der Weibchen. Nur gelegentlich hatte sich N’Gola bis zu diesem Zeitpunkt von den Halbwüchsigen in ihr Spiel einbeziehen lassen. Mit seinem gesundheitlichen Aufwärtstrend stellte sich dann auch ein neues und überraschendes Verhalten ein: N’Gola fing an, sich über eine gewisse Zeit intensiver mit seiner jüngsten, 2012 geborenen Tochter Mahiri zu beschäftigen. In Weibchenmanier trug er Mahiri auf seinem Rücken herum. Mahiri ist die Tochter von N’Yokumi, die zu diesem Zeitpunkt N’Golas besondere Aufmerksamkeit genoss. Mahiri hatte in dieser Phase bei N’Gola jegliche Narrenfreiheit. Sie konnte auf ihm herum klettern und sich sogar an «seinem» Futter bedienen.

    N’Gola hat in der Gorillapopulation in Europa, die im Rahmen eines Europäischen Erhaltungszuchtprogramms EEP koordiniert wird, genetisch deutliche Spuren hinterlassen. Mit 5 Weibchen hat er insgesamt 33 Junge gezeugt, von denen 21 mindestens älter als 1 Jahr wurden.

    Im Freiland stark bedroht

    Heute, am 21. Juni 2017, wird N’Gola vierzig Jahre alt. An seinem Leben spiegelt sich ein schöner Teil der Erfolgsgeschichte, die die Betreuung und Zucht dieser Tiere betrifft. In Menschenobhut hat sich eine sich selbsterhaltende Population des Westlichen Flachlandgorillas entwickelt. Im Freiland hingegen – es werden zwei Gorillaarten mit je zwei Unterarten unterschieden – sind die Bestände akut gefährdet. Lebensraumzerstörung und Jagd (Bushmeat) sind die einen Gefährdungsfaktoren. Ausbrüche von Ebola tragen lokal weiter zu hoher Mortalität bei.

    Auch Mamitu im «Anflug» auf den 40. Geburtstag

    Ende Jahr vollendet auch Mamitu das 40. Altersjahr. Seit 33 Jahren ist sie eine Lebensgefährtin von N’Gola. Sie ist neunfache Mutter und hat acht ihrer Jungen sowie ein «Adoptivkind» selber aufgezogen. Sie hat gezeigt, dass sich auch von Hand aufgezogene Gorillamütter unter geeigneten Bedingungen zu sozial kompetenten Gorillas entwickeln. Zwei ihrer Töchter, Haiba und Mawimbi, leben mit ihr in der Zürcher Haremsgruppe.

    Ganz am Anfang der Lebensstrecke

    Wenn wir einerseits das Alter ehren, soll andererseits nicht unerwähnt bleiben, dass bei den Nachbarn der Gorillas ein neues Jungtier ins Leben gestartet ist. Am 12. Juni hat das fünfzehnjährige Sumatra-Orang-Utan-Weibchen Cahaya ihr zweites Junges geboren, ein Weibchen, das den Namen Riang (fröhlich) erhalten hat. Wenn auch Orang-Utans im Freiland – aus ökologischen Gründen – als Einzelgänger unterwegs sind, so können sie doch sozial leben. Im Zoo Zürich befindet sich eine nunmehr achtköpfige Familie: Mutter Timor (auch bereits 42-jährig) mit ihren drei Töchtern und vier Enkelkindern. Das erwachsene Männchen in der Gruppe ist Djarius. Dazu kommt als momentane «Einzelgängerin» das Weibchen Oceh.