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  • Junger Schmutzgeier im Zoo Zürich.
    Schmutzgeier im Zoo Zürich.
    Junge Magellan-Dampfschiffenten im Zoo Zürich.
    Magellan-Dampfschiffente im Zoo Zürich.
    Plüschkopfeiderente im Zoo Zürich.

    Medien-Apéro Juli: Schmutzgeier

    Ein junges Paar Schmutzgeier, die kleinste europäische Geierart, ist neu im Zoo Zürich eingetroffen.

    Geier, oder Aasgeier, Pleitegeier – der Name dieser Vögel dient nicht gerade als Ausdruck für einen Sympathieträger. Und doch erfüllen Geier eine wichtige Funktion als Gesundheitspolizisten, indem sie Kadaver aufspüren und zu deren schneller Beseitigung beitragen. Der Einzug eines neuen jungen Schmutzgeier-Paares soll Anlass sein, einen «objektiven» Blick auf die Vögel zu werfen.

    Wechsel vom braunen zum weissen Federkleid

    Vier Geierarten kommen in Europa vor, die kleinste unter ihnen ist der Schmutzgeier. Schmutzgeier haben eine Flügelspannweite von 155 bis 170 Zentimeter und ein Gewicht von 1600 bis 2200 Gramm. Charakteristisch für diesen Geier sind der keilförmige Schwanz und der lange schmale Schnabel. Während sich die Geschlechter äusserlich nicht unterscheiden, gibt es Färbungsunterschiede im Gefieder von Jung- und Altvögeln. Adulte Vögel haben ein weitgehend weisses Federkleid. Im Flugbild sind die schwarzen Hand- und Armschwingen gut erkennbar (vergleichbar mit dem Flugbild des Weissstorches). Jungvögel haben – wie auch bei anderen Geiern – ein dunkelbraunes Gefieder mit hellen Federspitzen. Dieses hellt allmählich auf, und mit etwa fünf Jahren sind die Jungvögel ausgefärbt. Das Gesichtsfeld des Schmutzgeiers ist unbefiedert und intensiv gelb gefärbt. Den Abschluss dieses Gesichtsfeldes bildet eine Federkrause. Auch die Wachshaut, die den Schnabel an der Basis zur Hälfte bedeckt, ist gelb. Die mit Horn bedeckte Schnabelspitze hingegen ist bei der in Europa vorkommenden Unterart schwarz.

    Früher mal auch Brutvogel in der Umgebung von Genf

    Das Verbreitungsgebiet des Schmutzgeiers erstreckt sich von Südeuropa nach Zentralasien und ins nordwestliche Indien und umfasst auch Teile von Nordafrika bis zum Äquator sowie Arabien. In Nepal und Indien (ohne nordwestliches Indien) lebt eine zweite Unterart, die etwas kleiner ist als jene in Europa und einen durchgehend gelben Schnabel besitzt. Die im nördlichen Bereich des Verbreitungsgebietes lebenden Schmutzgeier sind Zugvögel, ihre Überwinterungsgebiete liegen vor allem am Südrand der Sahara. Aus der Schweiz finden sich Angaben von zwei bis drei Brutpaaren in der Gegend von Genf bis ins Jahr 1895. Sonst sind nur vereinzelte Beobachtungen von Vögeln in der Zugzeit registriert.

    Brutvogel im Mittelmeerraum

    In Europa liegen die Brutgebiete auf der Iberischen Halbinsel, in Südfrankreich und Süditalien sowie auf dem Balkan. Für Europa wird die Anzahl Brutpaare auf 3000 bis 4700 geschätzt.

    Das Brutgeschäft startet im März/April. In einem bevorzugt in einer Felsnische angelegten Horst werden ein bis drei dicht mit rotbraunen Flecken überzogene Eier abgelegt, die von beiden Eltern bebrütet werden. An die Brutdauer von 42 Tagen schliesst eine zweieinhalb bis drei Monate dauernde Nestlingszeit an. Mit vier bis fünf Jahren werden die Vögel geschlechtsreif. Als Höchstalter in Menschenobhut findet sich die Angabe von 37 Jahren.

    Spezielle kulinarische Vorlieben

    Die Bezeichnung «Schmutz» im Namen lässt sich nicht gerade vom äusseren Erscheinungsbild der Vögel ableiten, auch wenn das Federkleid nicht rein weiss ist. Die Bezeichnung nimmt eher Bezug auf den Speisezettel der Vögel. Der Schmutzgeier gilt als «Sammler des kleinen Abfalls», von Abfällen und Unrat aller Art: Auf dem Speiseplan stehen Aas, auch von Kleintieren wie Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien, Kot, faules Obst und anderes verrottendes organisches Material. Gute Nahrungsgründe bilden Abfalldeponien. Grosse Tierkadaver kann er nicht selber eröffnen, da ist er auf die Vorarbeit grosser Geier oder anderer Tiere angewiesen. Er macht aber auch Jagd auf kleine Wirbeltiere und Insekten, oder betätigt sich als Nesträuber. Zum Öffnen der Eier wirft er sie gegen Steine. In einer kleinen ostafrikanischen Population haben die Vögel gelernt, Strausseneier zu öffnen, indem sie sie mit Steinen bewerfen. Die Nahrungssuche erfolgt von Warten aus oder mittels ausgedehnten Suchflügen.

    Im «Handbuch der Vögel Mitteleuropas» wird dem Schmutzgeier bescheinigt, dass er trotz seines Namens ein «ordentlicher» Vogel ist: «Trotz des widerlichen Unrates im Nest und der oft so schmutzigen Nahrung hält er sein Gefieder immer sauber». Hier bleibt noch anzufügen, dass die Geier gerne ein Bad nehmen.

    Bedrohungsstatus «stark gefährdet»

    1993 kam der erste Schmutzgeier in den Zoo Zürich, dem im Folgejahr zwei weitere folgten. Der Erstankömmling, ein Weibchen mit Jahrgang 1985, lebt immer noch hier, die beiden anderen verstarben im Alter von über dreissig Jahren. Bis anhin kam es zu keiner erfolgreichen Brut. Nun steht quasi ein Generationenwechsel an. Im Mai dieses Jahres kamen zwei letztjährige Jungvögel nach Zürich, ein Weibchen aus dem Zoo Jerez und ein Männchen aus dem Prager Zoo.

    In Prag wird auch das Europäische Erhaltungszuchtprogramm EEP für diese Vogelart geführt. 44 Institutionen pflegen insgesamt 148 Schmutzgeier. Weitere 52 Vögel werden in zwei Zuchtzentren betreut. Die Zuchterfolge haben in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen. Es wurden auch Jungtiere aus dem Zuchtprogramm in Bulgarien ausgewildert.

    Die Bestände der Schmutzgeier haben im ganzen Verbreitungsgebiet abgenommen, die Art wird aktuell als stark gefährdet eingestuft. Gefährdungsfaktoren sind unter anderem illegale Vergiftungsaktionen, die eigentlich auf Raubtiere abzielen, und neue Bestimmungen bezüglich der Beseitigung von Tierkadavern.